Wann, wenn nicht morgen von Anette Beckmann

Fanø ist eine dänische Insel im Wattenmeer, nördlich von Sylt gelegen. Auf diese Insel wird Klara ganz überraschend von ihrer Mutter Elisabeth eingeladen, weil deren Mann beruflich verhindert ist und sie nicht begleiten kann. Klara fällt die Entscheidung nicht leicht, denn zum einen hat sie noch eine Menge Arbeit für ihren Verlag zu erledigen, und eine Woche zusammen mit ihrer durchorganisierten und hektischen Mutter würde nicht gerade eine Erholung werden. Schließlich willigt sie im Hinblick auf die abgekühlte Liebe und angespannte Beziehung zu ihrem Mann Johann doch ein.

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Liebesbeziehungen und deren Störungen

Um einen Menschen ganz kennenzulernen, ist es notwendig, ihn auch in seinen Liebesbeziehungen zu verstehen … Wir müssen von ihm aussagen können, ob er sich in Angelegenheiten der Liebe richtig oder unrichtig verhält, wir müssen feststellen können, warum er in einem Fall geeignet, im anderen Falle ungeeignet ist oder sein würde.
Wenn man außerdem bedenkt, dass von der Lösung des Liebes- und Eheproblems vielleicht der größte Teil des menschlichen Glücks abhängig ist, wird uns sofort klar, dass wir eine Summe der allerschwerstwiegenden Fragen vor uns haben, die den Gegenstand dieses Buches bilden.

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Das grausige Hobby von Sir Joseph Londe

„Was für einen Unfug wollen Sie von mir?“, fragte Daniel – vergeblich versuchte er, sich aufzusetzen.
„Nur um einen Blick auf Ihr Gehirn zu werfen“, war die angenehme Antwort.
„Mein – mein was?“ Daniel keuchte.
„Ihr Gehirn“, wiederholte der andere, nahm eines der Messer aus der Schachtel und untersuchte es kritisch. „Übrigens, Sie wissen natürlich, wer ich bin? Ich bin Sir Joseph Londe, der größte Chirurg der Welt. Ich habe mehr Operationen durchgeführt, als es Sterne am Himmel gibt. Leider wurde eines Tages ein kleiner Teil meines Gehirns rot. … Solange ich diesen kleinen Teil des roten Gehirns nicht ersetzen kann, bin ich verrückt. …. In Sie habe ich jedoch absolutes Vertrauen.“
„Wie wollen Sie an mein Gehirn rankommen?“ Daniel fand die Kraft zu fragen.
„Ich will es natürlich herausschneiden“, erklärte der andere. „Sie brauchen nicht die geringste Angst zu haben. Ich bin der beste Operator der Welt.“
„Und was machen Sie danach mit mir?“
Der Chirurg kicherte.
„Ich begrabe Sie im Steingarten“, antwortete er. „Ich nenne ihn meinen Friedhof. Wenn Sie jetzt so freundlich wären, ganz still zu bleiben …“
Das ist ein kurzer Textausschnitt aus dem Buch, das Spannung und einen besonderen Lesegenuss verspricht.

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Nach einer heftigen Auseinandersetzung der beiden Frauen kommt es auf regennasser Fahrbahn zu einem Unfall. Zum Glück eilt ihnen sofort Mads Olsen zu Hilfe und fährt sie zum nächsten Krankenhaus. Vom behandelnden Arzt erfährt Klara, dass ihre Mutter infolge des Schocks ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat. Untersuchungen an der an einer vorübergehenden Amnesie Leidenden ergeben aber auch einen weiteren beunruhigenden Befund. Klara benachrichtigt sowohl ihren Vater, als auch ihren Bruder Ben. Doch zu ihrem Erstaunen sind die völlig überrascht, als sie erfahren, dass sich Mutter und Tochter auf Fanø befinden. Hat ihre Mutter nicht gesagt, wohin sie fährt? Für Klara ergibt das alles keinen Sinn. Noch mehr ist sie von dem Inhalt eines Briefes überrascht, den sie bei den Sachen ihrer Mutter vorfindet und von dem diese offensichtlich niemandem etwas sagen wollte. Erst, als Klara zufällig ein Gespräch ihres Vaters belauscht, wird ihr einiges klar. Doch muss sie mit Äußerungen vorsichtig sein, weil sie nicht wissen kann, wer aus ihrer Familie wie viel weiß.

Anette Beckmann hat in ihrem Roman Wann, wenn nicht morgen das Hauptaugenmerk auf die Beziehung von Mutter und Tochter, sowie auf die sich anbahnende Affäre zwischen Klara und Mads gelegt, wobei nicht eindeutig ist, ob es der Autorin in erster Linie um eine Liebesbeziehung ging, die einen Rahmen brauchte, oder eine Mutter-Tochter-Beziehung, bei der eine Romanze der Auflockerung dienen sollte. Auf jeden Fall versteht sie es, alle Handlungen und Orte sehr detailreich zu beschreiben, so dass sich der Leser mitten ins Geschehen hineinversetzt fühlt und vor seinem geistigen Auge alles lebendig werden lassen kann. Er wird mitgenommen in das tatsächlich existierende Café Nanas Stue und auch in das von allen Gästen hoch gelobte, edle, aber teure Hotel Kro.

Wirklich viel ereignet sich nicht, was allerdings nicht bedeutet, dass die Handlung für die Protagonisten nicht große Veränderungen mit sich bringt. Schließlich lernt Klara erst durch den Autounfall Mads kennen und lieben. Einen Mann, der sich rührend um sie kümmert und ihr zeigt, dass sie ihm etwas bedeutet. Von ihrem sehr erfolgreichen Mann Johann ist sie ohnehin enttäuscht und glücklich wähnt sie sich schon seit langem nicht mehr. Sie weiß, dass sie mit ihm reden und zurück nach Hamburg fahren muss, aber Wann, wenn nicht morgen?

Anette Beckmann, Wann, wenn nicht morgen, Deutscher Taschenbuch Verlag 2016, Klappenbroschur, 304 Seiten, ISBN 978-3-423-26100-5, Preis: 14,90 Euro.

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