Die Kunst, in turbulenten Zeiten Ruhe zu bewahren – Assaf Gavrons visionäre Erzählungen über den Na…

In seiner neuesten Sammlung „Everybody be cool“ widmet sich der israelische Autor und Musiker Assaf Gavron der komplexen gesellschaftlichen und politischen Landschaft des Nahen Ostens. Gavrons Werke sind eine Reflexion über die gegenwärtigen Herausforderungen und die Suche nach einem besseren Verständnis der Zukunft. Seine Erzählungen, die aus einem kreativen Schreibprojekt aus dem Jahr 2020 hervorgegangen sind, bieten einen faszinierenden Blick auf eine mögliche Welt im Jahr 2066, die von tiefgreifenden Veränderungen geprägt ist.

Gavron, der bereits in früheren Romanen wie „Ein schönes Attentat“ und „Auf fremdem Land“ die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern thematisierte, nutzt dieses neue Buch, um eine weitreichende Vision einer postkapitalistischen Gesellschaft zu skizzieren. Dabei wird er von einer jüdischen Tradition inspiriert, die sich durch eine ausgeprägte Science-Fiction-Perspektive auszeichnet. Die eingeladenen Autoren sollten Geschichten schreiben, die eine radikal veränderte Weltordnung darstellen, in der gesellschaftliche Normen und Werte auf den Kopf gestellt werden.

Die erste Erzählung des Bandes, „Everybody be cool! Das ist ein Überfall“, beginnt mit einem ikonischen Zitat aus Quentin Tarantinos Film „Pulp Fiction“ und stürzt die Protagonisten in eine chaotische Situation. Hier wird eine Zukunft skizziert, in der Geld und Banken nur noch Simulationen sind, die den Menschen helfen, soziale Kontakte zu knüpfen. Eine junge Frau, die vor einem Bankschalter wartet, wird Zeugin eines Überfalls, der nicht nur ihr Konto, sondern auch ihr Leben durcheinanderbringt. Plötzlich wird sie zur Verdächtigen und verliert ihren persönlichen digitalen Assistenten, was die Absurdität der Situation unterstreicht. Diese Erzählung wirkt in ihrer Anlage zwar noch etwas unausgereift, legt aber bereits die Grundlage für die komplexeren Themen, die Gavron in der zweiten Geschichte behandelt.

In der längeren Erzählung „Zement“ wird das Bild einer egalitären Gesellschaft gezeichnet, in der es keine Lohnarbeit mehr gibt und alle Menschen Anspruch auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen sowie mietfreies Wohnen haben. Die Welt im Jahr 2066 ist geprägt von einem Überfluss an Freizeit, doch die Menschen leiden paradoxerweise unter Einsamkeit und einem Mangel an Sinn in ihrem Leben. Der Protagonist Ami Allalouf erkennt, dass trotz der Fortschritte in der Gesellschaft die menschlichen Triebe und Konflikte, die tief in unserer Natur verankert sind, nicht verschwunden sind. Diese inneren Konflikte brechen vor allem innerhalb seiner Familie auf, die von der Erfindung eines neuartigen Zements profitiert hat, der sowohl stabil als auch formbar ist. Doch die neuen gesellschaftlichen Regeln, die die Vermehrung von Reichtum und Ruhm einschränken sollen, führen zu Spannungen und Intrigen.

Gavron gelingt es, die Ambivalenz einer solchen egalitären Gesellschaft eindrucksvoll zu skizzieren. Während die Menschen theoretisch von der Arbeit befreit sind, wird die Freizeit zur „verfluchten Freizeit“, die nicht die erhofften Freuden und Möglichkeiten bringt. Ami glaubt, dass Freiheit Raum für Kunst, Liebe und Gemeinschaft schaffen sollte, doch stattdessen fühlen sich die Menschen isoliert und verloren. In dieser neuen Welt ist die Suche nach zwischenmenschlichen Verbindungen und einem tieferen Lebenssinn eine zentrale Herausforderung.

Darüber hinaus platziert Gavron sein utopisches Szenario in einem neu definierten geopolitischen Raum: der Middle Eastern Union (MEU). In dieser postnationalen Entität scheinen die traditionellen Konflikte zwischen Israelis, Palästinensern und Arabern überwunden, während historische Bezüge wie „Gaza“ in den Hintergrund gedrängt werden. Diese Transformation wird jedoch durch die Ereignisse nach dem Überfall der Hamas und der israelischen Reaktion darauf in Frage gestellt. Gavrons Vision der Zukunft erscheint in diesem Licht weniger utopisch und eher wie eine bizarre Fantasie.

Im Vorwort stellt Gavron fest, dass er die Wege der Literatur der Religion, Mystik oder Wissenschaft vorzieht, um mit der Unvorhersehbarkeit der Zukunft umzugehen. In diesem Sinne bietet „Everybody be cool“ nicht nur eine fesselnde Lektüre, sondern regt auch zum Nachdenken über die gegenwärtige Realität und die Möglichkeiten an, wie wir unsere Zukunft gestalten können. Assaf Gavron gelingt es, mit seinen Geschichten sowohl die Herausforderungen als auch die Hoffnungen einer sich wandelnden Gesellschaft zu erfassen und die Leser auf eine gediegene Reise durch eine