In ihrem neuen Werk setzt sich Miku Sophie Kühmel intensiv mit der Lebensgeschichte von Hannah Höch auseinander, einer herausragenden Künstlerin der Dada-Bewegung. Kühmel, die bereits mit ihren Romane „Kintsugi“ (2019) und „Triskele“ (2022) Erfolge feierte, nutzt Höchs Biografie als Grundlage, um aktuelle Themen und zeitgenössische Fragestellungen zu reflektieren. Höch, die als Pionierin der Collage-Kunst gilt, wird oft in einem historischen Kontext betrachtet, doch Kühmel gelingt es, ihre Geschichte so zu erzählen, dass sie für die Gegenwart von großer Bedeutung bleibt.
Der schreckliche Gott Taa und Die Pilzvergiftung, Satan geht zum Angriff über, Jenseits des Zeittors von H.G. Wells, Malcolm Jameson, Arthur Leo Zagat, David Wright O’Brien
Die Titel-Geschichte „Der Schreckliche Gott Taa“ stammt vom amerikanischen Schriftsteller Malcolm Jameson.
„Die großen Bleichgesichter der Erde brachten den Schrecken zum friedlichen Planeten Arania – sie versklavten seine Bewohner und beraubten ihn seiner Schönheit. Aber das Sklavenvolk, so geduldig es auch war, hatte eine große Macht auf seiner Seite – die Macht von Taa dem Schrecklichen, der eine Welt zerstören konnte!“
Insgesamt vier erstaunliche Geschichten von den großen Pionieren der modernen Fantasy, Mystery und Science-Fiction-Literatur in neuer Übersetzung, die es wert sind zu lesen.
Liebesbeziehungen und deren Störungen
Um einen Menschen ganz kennenzulernen, ist es notwendig, ihn auch in seinen Liebesbeziehungen zu verstehen … Wir müssen von ihm aussagen können, ob er sich in Angelegenheiten der Liebe richtig oder unrichtig verhält, wir müssen feststellen können, warum er in einem Fall geeignet, im anderen Falle ungeeignet ist oder sein würde.
Wenn man außerdem bedenkt, dass von der Lösung des Liebes- und Eheproblems vielleicht der größte Teil des menschlichen Glücks abhängig ist, wird uns sofort klar, dass wir eine Summe der allerschwerstwiegenden Fragen vor uns haben, die den Gegenstand dieses Buches bilden.
Im dunkelsten Afrika
Im Sudan, der ab 1821 unter die Herrschaft der osmanischen Vizekönige von Ägypten gekommen war, brach 1881 der Mahdiaufstand aus. Nach dem Abzug der anglo-ägyptischen Truppen aus dem Sudan behauptete sich der deutsche Forscher Emin-Pascha als Gouverneur der südlichsten Provinz des Sudan Äquatoria.
Emin-Pascha, bürgerlich Eduard Schnitzer, schrieb einen Brief an die Times, in dem er um Hilfe bat. Die Empathie in der britischen Bevölkerung führte dazu, dass rasch die finanziellen Mittel für eine Expedition zur Befreiung Emin-Paschas aufgebracht wurden.
Der Afrikaforscher Henry M. Stanley wurde beauftragt, die Expedition zu leiten. Ob und wie es Stanley gelang Emin-Pascha zu retten und welche Abenteuer er auf seiner Expedition erlebte, das beschreibt der Autor Stanley in diesem Buch.
Kühmel, geboren 1992 in Gotha, verknüpft in ihrem Roman Fiktion und Realität auf bemerkenswerte Weise. Sie erklärt zu Beginn, dass es sich um eine Geschichte handelt, die auf realen Ereignissen basiert, aber auch viele fiktive Elemente enthält. Diese Mischung schafft einen Raum, in dem die Leser sowohl die historischen Fakten als auch die emotionalen und psychologischen Aspekte der Charaktere nachvollziehen können.
Der Roman ist durchzogen von einer Vielzahl an Zitaten und stilistischen Anspielungen, die Kühmel verwendet, um den Zeitgeist der 1920er und 30er Jahre einzufangen. Dabei lässt sie auch andere bedeutende Künstler wie Kurt Schwitters und Else Lasker-Schüler zu Wort kommen, was den Text bereichert und die Dichte der damaligen künstlerischen Auseinandersetzung verdeutlicht. Kühmel spricht in einer direkten Ansprache an Höch, wodurch eine intime Verbindung zur Protagonistin entsteht. Dies verleiht dem Text nicht nur eine persönliche Note, sondern schafft auch eine Reflexionsebene über die dargestellten Ereignisse und die Emotionen der Figuren.
Ein zentrales Element ihres Erzählens ist die Darstellung der lesbischen Beziehung zwischen Hannah Höch und Til Brugman. Kühmel schafft es, diese Beziehung in ihrer Komplexität und ihren Herausforderungen darzustellen, ohne sie zu romantisieren. Die beiden Frauen kämpfen nicht nur um ihre Liebe, sondern auch um Anerkennung und Sichtbarkeit in einer von Männern dominierten Kunstwelt. Diese Thematik ist zeitlos und spiegelt die Kämpfe wider, die noch heute in der Gesellschaft bestehen.
Kühmel nutzt verschiedene narrative Techniken, um die Lebens- und Liebesszenen der beiden Frauen lebendig werden zu lassen. Sie kreiert eine Struktur, die durch Jahreszahlen und Zitate anstelle klassischer Kapitelüberschriften gekennzeichnet ist. Diese Herangehensweise ermöglicht es, die Erzählung dynamisch zu gestalten und die Leser durch die Höhen und Tiefen der Beziehung zu führen. Kühmel gelingt es, den Leser in eine Zeit zu versetzen, in der das kreative Schaffen der Dadaisten eine Rebellion gegen die Konventionen darstellte.
Die Autorin reflektiert in ihrem Buch auch über das Thema Erinnerung – sowohl an persönliche als auch an kollektive Geschichten. Sie stellt Fragen zur Wahrhaftigkeit der Erinnerungen und zur Art und Weise, wie Geschichten erzählt werden. Diese Reflexionen sind nicht nur für die Charaktere von Bedeutung, sondern auch für die Leser, die aufgefordert werden, über die eigene Beziehung zur Geschichte nachzudenken.
Besonders eindrucksvoll sind Kühmel’s poetische Beschreibungen und ihre Fähigkeit, Emotionen in Worte zu fassen. Sie nutzt lebendige Metaphern und bildhafte Sprache, um die inneren Konflikte und Sehnsüchte der Protagonisten zu verdeutlichen. So entsteht ein eindringliches Bild der Kämpfe, die Künstlerinnen wie Höch während ihrer Zeit durchlebten. Kühmel gelingt es, sowohl die Schönheit als auch die Tragik ihrer Geschichte zu erfassen.
Insgesamt ist Kühmel’s Roman ein eindrucksvolles Werk, das nicht nur eine Biografie von Hannah Höch erzählt, sondern auch eine tiefgehende Reflexion über die Kunst, Identität und das Leben in einer sich wandelnden Gesellschaft bietet. Sie verbindet historische Fakten mit einer zeitgenössischen Perspektive und schafft so ein Buch, das sowohl informativ als auch berührend ist. Mit einem feinen Gespür für Sprache und Emotionen gelingt es Kühmel, die Leser in eine Welt zu entführen, die sowohl vertraut als auch fremd ist – ein eindrucksvolles Zeugnis der Kraft der Erinnerung und der Kunst.