In Johan Harstads epischer Erzählung „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ entfaltet sich eine faszinierende Reise durch Fantasiewelten, die den Leser auf unterschiedliche Weise fesseln und verführen. Mit einer beeindruckenden Seitenzahl von 1148 ist der Roman nicht nur ein Coming-of-Age-Werk, sondern er vereint auch zahlreiche andere Genres wie Krimi, Thriller, politische Erzählung und philosophische Reflexion. Dabei gelingt es Harstad, die komplexen Facetten des Lebens und der menschlichen Existenz zu beleuchten.
Die Geschichte spielt in Norwegen und folgt den Kindheits- und Jugendabenteuern dreier Freunde – Ingmar, Jonatan und Peter – sowie ihrer Freundin Ebba. Diese vier Protagonisten stammen aus unterschiedlichen sozialen Hintergründen und erleben gemeinsam die Herausforderungen des Erwachsenwerdens in den späten 1980er und 1990er Jahren. Ihre Erlebnisse sind geprägt von den typischen Dingen des Lebens in einer Vorstadt: Sie spielen in Gärten, verbringen Zeit in Kellern und Wohnungen, und erkunden die Geheimnisse ihrer Umgebung.
Ein Wendepunkt in der Geschichte tritt ein, als Jonatan in den Keller eines verlassenen Hauses eindringt und dort einen geheimnisvollen Gegenstand entdeckt – einen Pflasterstein. Dieser Fund hat tiefgreifende Auswirkungen auf sein Leben und das seiner Freunde. Jonatan kehrt verändert zurück und berichtet von einer außergewöhnlichen Erfahrung, die ihn glauben lässt, er habe sein ganzes Leben bis zu seinem Tod im Jahr 2062 durchlebt. Diese Art von Schlüsselerlebnis erinnert an die berühmte Madeleine aus Prousts Werk und steht symbolisch für die Entdeckung neuer, alternativer Realitäten, die jenseits der gewohnten, prosaischen Welt liegen.
Die Erzählung nimmt einen dystopischen Zug, als sich herausstellt, dass der Pflasterstein bereits in der Vergangenheit, nämlich 1964, auf der abgelegenen Insel Tristan da Cunha existierte und dort eine Rolle in politischen Auseinandersetzungen spielte. Diese Rückblende verweist nicht nur auf historische Ereignisse, sondern verweist auch auf die tiefen Verstrickungen zwischen persönlichem Schicksal und globalen Entwicklungen. Harstad verwebt geschickt Anspielungen auf bedeutende Geschehnisse wie Tschernobyl und den Zusammenbruch sozialistischer Regime, was die Erzählung zu einer vielschichtigen Reflexion über die Menschheit und ihre Herausforderungen macht.
Der Roman beginnt und endet in der Gegenwart, in der die Charaktere ihre Wege gefunden haben. Ingmar und Ebba sind ein Paar und haben eine Familie gegründet, während Jonatan eine Karriere eingeschlagen hat. Peter hingegen hat sich in revolutionären Bewegungen engagiert und reflektiert in einer kraftvollen Rede über die Probleme der modernen Welt, die durch Ignoranz, Gier und technische Abhängigkeit geprägt ist. Seine Worte sind eine scharfe Kritik an der Zivilisation und der Zerstörung der Natur durch den Menschen. Er beschreibt, wie die Menschheit in einem Kreislauf der Ausbeutung gefangen ist, der sich über Jahrhunderte erstreckt.
„Unter dem Pflaster liegt der Strand“ ist nicht nur eine fesselnde Erzählung, sondern auch eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Themen Zugehörigkeit und Identität. Harstad lädt die Leser ein, sich auf eine Reise zu begeben, die weit über das Alltägliche hinausgeht und sie in andere, phantastische Welten führt. Die Lektüre ist ein Genuss, der dazu anregt, über die eigene Existenz und das Schicksal der Menschheit nachzudenken. Der Roman bietet einen Spiegel, der den Leser dazu anregt, sich mit den großen Fragen des Lebens auseinanderzusetzen und die Verbindungen zwischen persönlichem Schicksal und globalen Herausforderungen zu erkennen.
Insgesamt ist Harstads Werk ein eindrucksvolles Beispiel für moderne Literatur, die mit einer Vielzahl von Stilmitteln und Themen spielt und dabei die Leser auf eine tiefgründige, nachdenkliche Reise mitnimmt.