Erinnerungen an eine Kindheit im Schatten der Nachkriegszeit: Gerhard Neuners Pfarrkirchener Obersc…

Gerhard Neuner, ein 1941 im Banat geborener, emeritierter Professor für Deutsch als Fremdsprache, bringt in seinem neuesten Werk, „Pfarrkirchener Oberschulgeschichten aus der Wirtschaftswunderzeit 1951–1955“, die Erinnerungen seiner Kindheit und Jugend in der bayerischen Kleinstadt Pfarrkirchen zum Leben. Diese Erzählungen sind eine Fortsetzung seiner vorherigen Martinskirchener Dorfgeschichten und zeichnen ein eindrucksvolles Bild der Nachkriegszeit in Deutschland.

Neuner beschreibt, wie er im Alter von zehn Jahren sein Heimatdorf verlassen musste und in ein staatliches Schülerheim in Pfarrkirchen zog. Diese Stadt, bekannt für ihre Pferdezucht und Trabrennbahn, wurde zur neuen Umgebung des jungen Neuners, der sich in den frühen 1950er Jahren als Oberschüler fühlte. In den folgenden Jahren, die von einem tiefgreifenden Wandel in der Gesellschaft geprägt waren, schildert er die Herausforderungen und Erfahrungen, die ihn prägten. Fünf Jahre später wird er in Landshut neue Wege beschreiten, was der Inhalt seines nächsten Buches sein wird.

Der Untertitel des Buches, „Erziehung zu Recht und Ordnung, Anpassung und Gehorsam“, vermittelt prägnant das, was den Schüler in der Zeit widerfuhr. Die Spuren der nationalsozialistischen Vergangenheit und die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs sind in der Erzählung deutlich zu spüren. Die Armut, die nach dem Krieg allgegenwärtig war, wird ebenso thematisiert wie die omnipräsente Sorge um die Nahrungsaufnahme. Ein eindringliches Zitat aus dem Buch beschreibt die ständige Hungererfahrung, die viele Schüler machten: „Mich hungert es halt immer wieder, das ist gar nicht lustig.“

Die Schilderungen der Schulzeit sind von einem gewissen Humor und einer kindlichen Unbekümmertheit geprägt. Der Autor zeichnet ein Bild von Schülern, die sich über das ihnen servierte Essen mokieren und mit einem gewissen Ungehorsam auf die Vorschriften reagieren. Neuner berichtet, dass sein Interesse für das Fach Deutsch schon früh geweckt wurde, während andere Fächer wie Geschichte und Geografie oft einen nostalgischen Blick auf „verlorene“ deutsche Kolonien warfen.

Die kindliche Perspektive, aus der Neuner berichtet, ist entscheidend für das Verständnis seiner Geschichten. Er vermeidet es, als Erwachsener zu kommentieren oder die Hintergründe seiner Erlebnisse zu analysieren. Vielmehr versucht er, die Welt durch die Augen eines Jungen zu betrachten, was eine gewisse Unschuld und Unwissenheit mit sich bringt. So bleibt das Thema Sexualität von Gerüchten und Missverständnissen umgeben, während die Kinder im Unsicheren und Unbekannten heranwachsen.

Der Autor nutzt seinen typischen Dialekt, um die Authentizität seiner Erinnerungen zu betonen. Dies kann für einige Leser eine Herausforderung darstellen, da die regionale Sprache und die damit verbundenen Ausdrücke anfangs gewöhnungsbedürftig sein können. Neuners Erzählstil, der oft durch Einschübe wie „Das kommt gleich noch“ oder „Das erzähle ich schon noch“ unterbrochen wird, kann den Lesefluss hemmen, trägt jedoch zur Lebendigkeit der Erzählung bei.

Insgesamt bietet das Buch einen spannenden Einblick in eine Zeit, die von Umbrüchen geprägt war. Neuner beschreibt, wie er und seine Altersgenossen in einer Welt aufwuchsen, die von politischen Umbrüchen, sozialen Veränderungen und dem Streben nach einem besseren Leben geprägt war. Die Verbindung von persönlichen Erlebnissen mit dem größeren historischen Kontext verleiht den Geschichten eine besondere Tiefe.

Neuners „Pfarrkirchener Oberschulgeschichten“ ist nicht nur eine nostalgische Rückschau auf die eigene Jugend, sondern auch ein Dokument, das die Herausforderungen und Erfahrungen einer ganzen Generation widerspiegelt, die im Schatten der Nachkriegszeit heranwuchs. Mit 256 Seiten bietet das Buch eine fesselnde Lektüre, die sowohl für Leser, die sich für die deutsche Nachkriegsgeschichte interessieren, als auch für diejenigen, die in die Welt der Kindheit eintauchen möchten, von großem Wert ist.