Kurt Palm, ein österreichischer Autor, hat sich in seinem neuesten Werk mit der komplexen Geschichte seiner Familie auseinandergesetzt. In seinem Roman, der den Titel „Trockenes Feld“ trägt, erzählt er von den Erlebnissen seiner Vorfahren, die während des Zweiten Weltkriegs aus ihrer Heimat in Slawonien vertrieben wurden. Palm eröffnet sein Buch mit zwei prägnanten Zitaten, die die Fragilität der Erinnerung thematisieren. „Es gibt keine Wahrheit in der Erinnerung“ von Werner Herzog und Louis Begleys Aussage, dass „wir der Wahrheit nie näher kommen als durch erfundene Geschichten“, stellen den Rahmen für die Erzählung dar. Trotz der fiktionalen Elemente des Romans vermittelt Palm durch einen klaren und direkten Schreibstil den Eindruck, dass es hier in erster Linie um Wahrheit geht.
Dieser Eindruck wird durch die Verwendung von dokumentarischen Materialien, wie Tagebucheinträgen, Schulheften und Zeitzeugeninterviews, verstärkt. Palm beschreibt, wie er bei seinen Recherchen immer wieder an Grenzen stößt, die das Erinnern und das Nachvollziehen der eigenen Geschichte betreffen. Diese ehrliche Auseinandersetzung macht den Roman zu einem authentischen Werk, das die Leser dazu einlädt, sich in die Lebenswelt der Familie Palm hineinzuversetzen. Die Geschichte beginnt mit der Vertreibung der Familie aus ihrem Heimatdorf Kapan. Die Umstände, unter denen die Familie in Österreich ein neues Leben aufbaut, sind von Herausforderungen geprägt. Während die Mutter mit einem Pferdewagen fliehen muss, wird der Vater als 18-Jähriger an die Front geschickt, wo er als Mitglied der SS gegen Partisanen kämpft.
Palm beleuchtet die tiefen Wunden, die solche Erfahrungen in der Familiengeschichte hinterlassen haben. Obwohl der Vater des Autors nicht direkt an Kriegsverbrechen beteiligt war, bleibt das Trauma des Kriegs ein zentrales Element in der Familiengeschichte. Viele Details bleiben in der Familie unausgesprochen, was auch für die Palms gilt. Der Autor versucht, das Verborgene ans Licht zu bringen und die Geschichte seiner Herkunft zu thematisieren. Gerade diese Suche nach den Wurzeln wird im Roman als ein steiniger, oft schmerzhafter Weg dargestellt.
Ein prägnantes Beispiel für die Problematik der Identität und Zugehörigkeit findet sich in einem Eintrag aus einem Schulheft von 1964, in dem Palm reflektiert, dass seine Eltern aus Jugoslawien vertrieben wurden und sie froh sind, eine neue Wohnung zu haben. Doch der Aufstieg der Flüchtlingsfamilie wird nicht ohne Schwierigkeiten von der österreichischen Gesellschaft akzeptiert. Palm erinnert sich, dass die Nachbarn kein Interesse an seiner Familie hatten und nur an den praktischen Aspekten, wie dem Möbeltransport, interessiert waren. Diese Erfahrungen verdeutlichen das Gefühl des Fremdseins, das viele Zugewanderte empfinden. Das Misstrauen und die gesellschaftliche Distanz tragen dazu bei, dass Palm und seine Familie nie Teil der österreichischen Identität werden können. Diese Distanz führt zu einer kritischen Haltung gegenüber Nationalismus und Patriotismus, die in der Nachkriegszeit weit verbreitet sind.
In seiner eigenen Kindheit ist Palm Ministrant und wird später Mitglied der kommunistischen Partei. Diese Aspekte seiner Biografie werden humorvoll und mit einer gewissen Leichtigkeit dargestellt, ohne dass sie einen dunklen Schatten auf sein Leben werfen. Vielmehr wird das Anzünden von Kerzen, das in der Familie Palm Tradition hat, als Symbol für die Erinnerung und die stille Wachsamkeit gegenüber der eigenen Herkunft gedeutet. Der Roman selbst ist nicht chronologisch aufgebaut, sondern präsentiert die Inhalte eher in einer kaleidoskopartigen Anordnung. Dies spiegelt die Komplexität der Erinnerungen wider und zeigt, dass die Ursachen von Traumata nicht einfach abgehakt werden können, sondern immer wieder ins Bewusstsein dringen.
Ein besonders berührendes Element des Romans ist die Thematisierung von Suizid im familiären Umfeld, insbesondere der Freitod von Reinhard, Palms Bruder. Diese Erlebnisse werden offen angesprochen und verdeutlichen, dass das menschliche Leben nicht einfach erklärt werden kann. Die Lektüre von „Trockenes Feld“ bietet somit nicht nur einen tiefen Einblick in die eigene Familiengeschichte, sondern regt auch dazu an, über die komplexen Zusammenhänge von Erinnerung, Identität und Wahrheit nachzudenken. Kurt Palm gelingt es, die Leser auf eine Reise durch die Vergangenheit zu führen, die sowohl schmerzhaft als auch aufschlussreich ist und die Frage aufwirft, inwiefern wir unsere eigene Geschichte verstehen können.





