Ein Nachruf auf Jochen Vogt: Ein Leben für die Literatur und die Lehre**

Im August 2025, nur wenige Monate nach seinem 82. Geburtstag, erlag Jochen Vogt einer schweren Krankheit. Unser erster Kontakt fand 1973 an der neu gegründeten Gesamthochschule Essen statt, wo wir in den folgenden Jahrzehnten gemeinsam zahlreiche Projekte initiierten und verwirklichten. Jochen war nicht nur ein geschätzter Freund, sondern auch ein herausragender Hochschullehrer, der sich durch seine unkonventionelle Art auszeichnete. An Hierarchien hatte er kein Interesse; für ihn zählten die Inhalte mehr als Rangordnungen. Er war stets zugänglich, besonders für die Studierenden, jedoch niemals auf eine kumpelhafte Weise.

Ein besonderes Augenmerk legte er auf diejenigen, die aus einem nicht-akademischen Umfeld stammten – und das waren in einer neuen Hochschule im Ruhrgebiet die meisten. Mit seiner engagierten Lehre stellte er hohe Ansprüche, aber er verstand sich als Anreger und Ermöglicher, der seinen Studierenden wertvolle Impulse gab. Seine Werke, wie „Einführung in die Erzählanalyse“ und „Einladung zur Literaturwissenschaft“, sind bis heute Standardwerke in der literaturwissenschaftlichen Ausbildung und zeigen seine Fähigkeit, komplexe Themen verständlich und elegant zu vermitteln.

Seine Vorlesungen waren geprägt von Präzision und kurzweiliger Anschaulichkeit. Jochen war stets offen für neue Ansätze und Methoden, was sich in innovativen Lehrformaten niederschlug. Blockseminare in einer westfälischen Burg oder in der Eifel wurden zu einem festen Bestandteil seines Lehrangebots, wobei er auch bereit war, in der Küche Hand anzulegen. Bereits vor der digitalen Welle entwickelte er ein Hypertext-Begleitprogramm für seine „Einladung“ und wagte sich an Theorien zum Kriminalroman, als diese in der Germanistik noch als exotisch galten. Diese Arbeiten sind heute als Klassiker anerkannt.

Sein literaturwissenschaftliches Schaffen erstreckt sich über ein breites Spektrum, das von Hans Henny Jahnn bis Robert Gernhardt reicht und auch den Kriminalroman umfasst. Dabei hatte er stets die künftige Berufspraxis seiner Studierenden im Blick. Unter seiner Leitung entstand ein „Werklexikon für den Deutschunterricht“, und der Masterstudiengang „Literatur- und Medienpraxis“ wurde ein Aushängeschild der Essener Geisteswissenschaften. Jochen setzte Ideen um, die unter dem Schlagwort „1968“ diskutiert wurden, und erreichte damit messbare Erfolge in der universitären Praxis.

Die Liste seiner ehemaligen Schüler, die selbst akademische Karrieren eingeschlagen haben, ist bemerkenswert. Auch in der Auslandsgermanistik war Jochen aktiv: Er half beim Aufbau der Germanistik in Portugal nach dem Ende der Diktatur, beteiligte sich an einem gemeinsamen Studienprogramm mit dem University College Dublin (lange bevor das ERASMUS-Programm ins Leben gerufen wurde) und war als Gastprofessor an renommierten amerikanischen Universitäten tätig. Für ihn war es wichtig, dass solche internationalen Kontakte auch der eigenen Hochschule und deren Studierenden zugutekamen.

Nach seiner Emeritierung im Jahr 2008 zog Jochen in den Hunsrück, blieb jedoch der Universität und der Stadt Essen verbunden. Er betreute Doktorarbeiten, schrieb eine monatliche Krimikolumne für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung und war aktiv in der Redaktion von „Gegenwartskulturen“ bei literaturkritik.de. Auch wenn seine Beiträge nicht zahlreich sind, sind sie von hoher Qualität und verdienen es, erneut gelesen zu werden. Besonders seine fundierten Krimi-Kritiken bieten nicht nur Rezensionen, sondern auch Einblicke in die Geschichte des Genres.

Seine Essays, wie „(Fast) Alles über Krimis … in 10 einfachen Sätzen“ und „Über Wandlungen und Niedergang der Detektivfigur“, sind weitere Belege seines tiefen Verständnisses für Literatur und seine stilistische Brillanz. Auch der Essay über Peter Weiss’ „Die Ermittlung“ im Kontext der frühen Bundesrepublik ist ein prägnantes Beispiel für seine Fähigkeit, komplexe gesellschaftliche Themen aufzugreifen.

Jochen Vogt bleibt nicht nur als Mensch, sondern auch als Autor und Wissenschaftler unvergessen. Seine Beiträge und seine Philosophie der Literaturwissenschaft werden in Erinnerung bleiben, und sein Verlust wird sowohl von Freunden als auch von Kollegen schmerzlich empfunden.