In seinem Roman „Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete“ thematisiert Lukas Maisel einen entscheidenden historischen Moment, der die Menschheit an den Rand eines nuklearen Krieges führte. Im Mittelpunkt steht der sowjetische Oberstleutnant Stanislaw Petrow, der in der Nacht des 26. Septembers 1983 eine lebenswichtige Entscheidung treffen muss, die letztlich das Schicksal der Welt beeinflusste. An diesem schicksalhaften Abend wird Petrow mit einem Alarm konfrontiert, der den vermeintlichen Start amerikanischer Atomraketen signalisiert. Allein er hat nun die Verantwortung, ein potenziell katastrophales Szenario zu bewerten: Soll er die Alarmmeldung ernst nehmen und die Führung informieren, was einen nuklearen Gegenschlag zur Folge haben könnte, oder soll er die Situation abwarten und prüfen, ob es sich um einen technischen Fehler handelt?
Im dunkelsten Afrika
Im Sudan, der ab 1821 unter die Herrschaft der osmanischen Vizekönige von Ägypten gekommen war, brach 1881 der Mahdiaufstand aus. Nach dem Abzug der anglo-ägyptischen Truppen aus dem Sudan behauptete sich der deutsche Forscher Emin-Pascha als Gouverneur der südlichsten Provinz des Sudan Äquatoria.
Emin-Pascha, bürgerlich Eduard Schnitzer, schrieb einen Brief an die Times, in dem er um Hilfe bat. Die Empathie in der britischen Bevölkerung führte dazu, dass rasch die finanziellen Mittel für eine Expedition zur Befreiung Emin-Paschas aufgebracht wurden.
Der Afrikaforscher Henry M. Stanley wurde beauftragt, die Expedition zu leiten. Ob und wie es Stanley gelang Emin-Pascha zu retten und welche Abenteuer er auf seiner Expedition erlebte, das beschreibt der Autor Stanley in diesem Buch.
Maisel beschreibt die angespannten Minuten, in denen Petrow vor einer existenziellen Wahl steht, in einem klaren, fast dokumentarischen Stil. Das Buch vermittelt den enormen Druck, unter dem der Protagonist arbeitet, und lässt den Leser die innere Zerrissenheit Petrows nachempfinden. Die Rahmenbedingungen sind besonders: Petrow ist in einem geheimen Militärkomplex stationiert, und seine Familie hat keine Ahnung von der tragischen Schwere seiner Arbeit. Seine Frau und Kinder leben in einer Welt des Alltags, während er die Möglichkeit eines atomaren Angriffs auf die Sowjetunion abwägen muss.
Der Alarm ertönt um 00:15 Uhr, und Petrow wird von Panik umgeben. Während das Abwehrzentrum in Aufruhr gerät, bleibt er bemerkenswert ruhig. Er zweifelt an der Glaubwürdigkeit des Alarms, obwohl sein Job als Programmierer ihn dazu drängt, dem System zu vertrauen. Dennoch stellt er fest, dass ein Erstschlag gegen die Sowjetunion auch den eigenen Untergang der USA bedeuten würde. Diese Überlegungen sind von entscheidender Bedeutung, denn in der Realität handelte es sich um einen Fehlalarm, der durch technische Störungen ausgelöst wurde.
Maisel gelingt es, die psychologischen und emotionalen Aspekte von Petrows Entscheidung facettenreich darzustellen. Der Leser wird Zeuge seiner inneren Kämpfe und des Konflikts zwischen Pflichtbewusstsein und dem instinktiven Drang, die Menschheit vor einer Katastrophe zu bewahren. Petrows kluge Entscheidung, die Alarmmeldung nicht weiterzugeben und die Situation abzuwarten, erweist sich als lebensrettend. Diese Entscheidung führte dazu, dass die Welt vor einer nuklearen Apokalypse bewahrt wurde.
Die Erzählung beleuchtet nicht nur Petrows Mut, sondern auch die Absurdität und Fragilität der politischen und militärischen Strukturen während des Kalten Krieges. Trotz seines heroischen Handelns wurde Petrow nach dem Vorfall nicht für seine Entscheidung gewürdigt. Stattdessen blieb er in der Anonymität des Systems gefangen und wurde zur Geheimhaltung verpflichtet. Erst Jahre später, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, wurde seine Rolle öffentlich anerkannt, und er erhielt internationale Ehrungen.
Maisel nutzt die 128 Seiten seines Romans, um eine intensive, fast kammerspielartige Atmosphäre zu schaffen, die den Leser fesselt. Die nüchterne Darstellung der Ereignisse steht im Kontrast zu den emotionalen und moralischen Dilemmata, mit denen Petrow konfrontiert ist. Diese Dichotomie zwischen menschlichem Leben und militärischer Logik wird eindrücklich vermittelt und regt zum Nachdenken über die Verantwortung des Einzelnen in kritischen Momenten an.
Obwohl der Roman in seiner stilistischen Umsetzung gelegentlich unbeholfen wirkt, stellt er ein wichtiges Denkmal für einen Mann dar, der inmitten von Machtstrukturen und militärischen Hierarchien seinen Verstand und sein Gewissen über alles andere stellte. Angesichts aktueller globaler Krisen, wie dem Klimawandel und politischen Konflikten, bietet Maisels Werk wertvolle Einsichten darüber, wie verletzlich unser Weltgefüge ist und wie entscheidend das Handeln Einzelner sein kann.
„Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete“ ist nicht nur eine Erzählung über einen historischen Vorfall, sondern auch ein eindringlicher Appell für Vernunft und Menschlichkeit, der den Leser dazu anregt, über die eigene Rolle in der Gesellschaft nachzudenken.