Die Geheimnisse des Galizischen Bades – Andrej Kurkows neues Abenteuer**

In seinem neuesten Werk „Samson und das Galizische Bad“ bringt der ukrainische Autor Andrej Kurkow das Kiew des frühen 20. Jahrhunderts erneut zum Leben. Dieses Buch stellt das dritte Abenteuer des Protagonisten Samson Koletschko dar, einer Figur, die Kurkow 2020 erschuf, inspiriert von historischen Dokumenten, die er durch die Tochter eines ehemaligen KGB-Agenten entdeckte. Diese Dokumente, die Erinnerungen aus der Zeit nach 1919 enthalten, eröffneten Kurkow einen reichen Fundus an Material für seine Geschichten. Er benötigte jedoch eine interessante Hauptfigur und ein passendes Umfeld, um die Erzählungen zu gestalten.

Samson Koletschko, ein Ermittler der Kiewer Miliz, debütierte in „Samson und Nadjeschda“. In diesem ersten Band wird er als junger Mann eingeführt, der durch die Gewalt des Bürgerkriegs geprägt ist, als er seinen Vater verliert und selbst verletzt wird. Trotz seiner schwierigen Vergangenheit zeigt Samson Talent und Geschick bei seinen Ermittlungen. Die Leser begegnen ihm als jemandem, der zwar von Schicksalsschlägen gezeichnet ist, jedoch mit Entschlossenheit und einer unaufgeregten Art den Herausforderungen seiner neuen Rolle als Ermittler begegnet.

Im zweiten Teil der Reihe, „Samson und das gestohlene Herz“, ist Samson inzwischen mit seiner Verlobten Nadjeschda zusammen, die eine wichtige Rolle in seinem Leben und seiner Arbeit spielt. Hier wird der Plot von einem weiteren Verbrechen geprägt, das ihn sowohl beruflich als auch privat betrifft, als seine Verlobte von kriminellen Eisenbahnern entführt wird. Wieder einmal zeigt Samson seine bemerkenswerten Fähigkeiten, um die Situation zu entschärfen.

Nun, im dritten Band, hat Kurkow seine Erzählweise beibehalten, jedoch wird die Handlung spannender und komplexer. Zu Beginn von „Samson und das Galizische Bad“ wird Samson mit einem besonders mysteriösen Fall konfrontiert: 28 Rotarmisten verschwinden nach einer Feier aus einem öffentlichen Bad. Ihre Uniformen sind die einzigen Hinweise, die zurückbleiben, was die Ermittlungen besonders heikel macht, da der Fall auch politische Implikationen birgt. Die Kiewer Miliz und die sowjetische Geheimpolizei Tscheka sind involviert, was den Druck auf Samson erhöht. Seine bisherigen Erfahrungen mit der Tscheka lassen ihn erkennen, wie gefährlich es sein kann, sich mit dieser geheimen Organisation anzulegen.

Die Ermittlungen führen Samson zu einem schockierenden Fund – einem menschlichen Oberschenkelknochen, der jedoch nicht zu den vermissten Soldaten passt. Stattdessen gehört er zu einem weiblichen Skelett, was darauf hindeutet, dass im Galizischen Bad mehr geschehen ist als zunächst angenommen. Diese Entdeckung eröffnet eine neue Dimension der Erzählung, in der Kurkow geschickt die Verknüpfung von persönlichem Schicksal und politischen Konflikten thematisiert.

Der Erzählstil bleibt geprägt von einer ruhigen, reflektierenden Tonalität, die es dem Leser ermöglicht, tief in die Charaktere und deren Herausforderungen einzutauchen. Kurkow nutzt die Illustrationen von Juri Nikitin, die jedes Kapitel visuell bereichern und dem Leser helfen, sich in der Stadt Kiew und ihren verworrenen Straßen zurechtzufinden.

Das Buch schildert nicht nur die spannenden Ermittlungen Samsons, sondern reflektiert auch die Sorgen und Ängste der Menschen in einer Zeit des Wandels. Die Ungewissheit über die Zukunft der Ukraine nach dem Sturz der Monarchie wird durch die Gedanken seiner Figuren deutlich. Fragen über das Schicksal des Landes und die möglichen politischen Entwicklungen kommen zur Sprache. Wird es eine Rückkehr zu alten Systemen geben, oder wird eine neue Ordnung entstehen? Diese Fragestellungen verleihen der Geschichte eine tiefere Bedeutung und verbinden sie mit den realen Herausforderungen, vor denen die Ukraine steht.

„Samson und das Galizische Bad“ ist ein fesselndes Werk, das nicht nur durch seine Kriminalhandlung besticht, sondern auch durch seine sorgfältige Charakterzeichnung und die Betrachtung historischer sowie aktueller Themen. Kurkow gelingt es, das Geschehen in Kiew lebendig und nachvollziehbar zu gestalten – ein eindringlicher und zugleich unterhaltsamer Blick auf eine bewegte Zeit. Die Leser können sich auf weitere Abenteuer mit Samson Koletschko freuen, wie das „Fortsetzung folgt“-Ende andeutet.