Das Thema Tod ist ein Tabu, über das viele Menschen nur ungern sprechen. Dennoch ist er untrennbar mit dem Leben verbunden. Wer sich dieser Thematik auf eine eindrucksvolle Art nähern möchte, findet in Ulrich Kochs Gedichtband „Letzte Hilfe Kurs“ eine fesselnde Lektüre. Der Titel des Werkes deutet auf mehrere Dimensionen hin: Es geht um die letzten Dinge, um den Tod als universelles Ende, aber auch um die Vorstellung einer Reise, bei der Leserinnen und Leser auf Mitstreiter verschiedener Art treffen – menschliche und nichtmenschliche Wesen, Anthropophagen und andere. Der Gedichtband fordert dazu auf, eigene Perspektiven zu hinterfragen und möglicherweise neue Einsichten zu gewinnen.
Liebesbeziehungen und deren Störungen
Um einen Menschen ganz kennenzulernen, ist es notwendig, ihn auch in seinen Liebesbeziehungen zu verstehen … Wir müssen von ihm aussagen können, ob er sich in Angelegenheiten der Liebe richtig oder unrichtig verhält, wir müssen feststellen können, warum er in einem Fall geeignet, im anderen Falle ungeeignet ist oder sein würde.
Wenn man außerdem bedenkt, dass von der Lösung des Liebes- und Eheproblems vielleicht der größte Teil des menschlichen Glücks abhängig ist, wird uns sofort klar, dass wir eine Summe der allerschwerstwiegenden Fragen vor uns haben, die den Gegenstand dieses Buches bilden.
Kochs Gedichte zeichnen sich durch einen besonderen Humor aus, der oft mit surrealen Elementen spielt. Im ersten Gedicht „Stellt euch vor“ wird das Totsein als eine Art musikalischer Zustand beschrieben, in dem die Toten weiterhin spielen und in der Atmosphäre des Daseins verweilen. Die Bildsprache ist einladend und scheint zunächst tröstlich zu wirken. Doch bei näherer Betrachtung wird klar, dass der Gedanke an die Ewigkeit und das endlose Spielen auch belastend sein kann. Die Vorstellung von einem „Himmel“ wird im weiteren Verlauf der Texte relativiert; der poetische Raum vermittelt ein Gefühl der Verlorenheit, wie in dem Gedicht „La vie est dure, le mort est Dürer“. Diese geschickte Verbindung von Gegensätzlichem und ungewöhnlichen Bildern führt dazu, dass neue Wahrnehmungen möglich werden und den Leser dazu anregen, die Welt aus anderen Blickwinkeln zu betrachten.
Ein zentrales Thema in Kochs Werk ist die Vergänglichkeit und die Verletzlichkeit des Lebens. Viele Gedichte thematisieren den Prozess des Älterwerdens, sowohl aus der Perspektive der eigenen Biografie als auch durch die Beobachtung der Eltern. In diesen Texten wird das Sterben der älteren Generationen zum Ausdruck gebracht, was unausweichlich mit der eigenen Sterblichkeit verknüpft ist. Besonders eindringlich wird dies in Gedichten, die sich mit der Einsamkeit und dem Verschwinden von alten Menschen auseinandersetzen, wie in „Aphasie ist die Sprache der Liebe“. Kochs Schreiben nimmt dabei eine klare soziale und politische Dimension an, indem es die Lebensrealitäten von oft marginalisierten Gruppen wie Reinigungskräften, Fernfahrern oder alten Menschen aufgreift.
Die Gedichte sind nicht nur von der Auseinandersetzung mit dem Tod geprägt, sondern reflektieren auch die Gewalt in unserer Welt. Szenarien von Diktaturen, Kriegen und Massenhinrichtungen werden in kraftvollen Bildern thematisiert. In dem Gedicht „Vor dem Krieg hatte dieses Gedicht zwei Bewohner“ wird auf den Ukraine-Konflikt angespielt, wobei die Poetik des Textes in der Konfrontation mit brutalem Realismus erdrückt wird. Auch der Einsatz von Drohnen wird thematisiert; sie werden als willenlose Werkzeuge dargestellt, die sowohl für die Erfassung von Bildern als auch für das Töten von Menschen eingesetzt werden.
Neben der Auseinandersetzung mit Tod und Gewalt behandelt der Band auch die Dynamiken zwischen Menschen und deren Beziehungen. Hier wird die Liebe in ihren schillerndsten Facetten beschrieben, sei es in der Darstellung von Zuneigung oder in den Verletzungen, die durch Gewalt entstehen. Diese Spannungen zwischen Nähe und Distanz, zwischen Geborgenheit und Verlust werden eindrücklich in Kochs Gedichten eingefangen.
Ein weiterer Aspekt, den Koch in seinem Werk beleuchtet, ist der Akt des Schreibens selbst. Der Autor reflektiert über die Schwierigkeiten und Herausforderungen des literarischen Schaffens mit einer Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit. Dabei wird das Schreiben sowohl als ein Akt des Scheiterns als auch als letzte Hoffnung dargestellt. Kochs Sprache ist zugänglich und oft verspielt, wobei sie gleichzeitig tiefgründige Bilder und Metaphern birgt, die zum Nachdenken anregen.
Die Struktur des Bandes ist in sieben Teile gegliedert, die verschiedene Themen ansprechen, aber dennoch lose miteinander verbunden sind. Diese thematischen Echos ziehen sich durch die gesamte Sammlung und schaffen eine dichte Verwebung von Motiven und Sprachbildern. Es ist jedoch zu bemerken, dass die Vielzahl der Gedichte in ihrer Gesamtheit eine gewisse Überforderung erzeugen kann, da sich die Grenzen zwischen den einzelnen Teilen und deren Themen verwischen. Eine Straffung des Inhalts hätte dem Werk möglicherweise gutgetan.
Trotz dieser kleineren Kritikpunkte ist „Letzte Hilfe Kurs“ ein bemerkenswertes und ansprechend gestaltetes Buch, dessen Gedichte