Am 19. Dezember 1925 wurde Tankred Dorst in Oberlind, einer kleinen Stadt in Thüringen, geboren. Er wuchs in einer wohlhabenden Fabrikantenfamilie auf und sollte später zu einem der prominentesten und einflussreichsten Dramatiker Deutschlands werden. Dorsts Werke haben das deutsche Theater über viele Jahrzehnte hinweg geprägt und sind auch heute noch von Bedeutung, auch wenn sie oftmals nicht mehr auf den großen Bühnen zu sehen sind.
Zusammen mit seiner Lebenspartnerin und Co-Autorin Ursula Ehler hat Dorst Theatergeschichte geschrieben und war bekannt für seine tiefgründigen und oft an gesellschaftlichen Themen orientierten Stücke. Seine literarische Karriere erhielt 2014 mit der Verleihung des Theaterpreises „Der Faust“ für sein Lebenswerk einen weiteren Höhepunkt, was seine Stellung als einer der produktivsten Theaterautoren der Gegenwart unterstreicht.
Dorst und Ehler lernten sich in den 1970er Jahren bei der Arbeit an einem Fernsehfilm kennen. Ihre enge Beziehung, die Dorst 2005 als „Gespräch des Lebens“ bezeichnete, hat sich als äußerst fruchtbar erwiesen. Trotz seines Alters von über 80 Jahren blieb Dorst weiterhin aktiv und produktiv. Zu seinen letzten Werken zählen die Stücke „Die Wüste“ (2005) und „Künstler“ (2008), sowie seine bedeutende Rolle bei den Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth, wo er 2006 die Regie des „Ring des Nibelungen“ übernahm.
Dorst veröffentlichte eine umfassende Werkausgabe im Suhrkamp Verlag, die nicht weniger als 50 Theaterstücke umfasst. Neben seinem dramatischen Schaffen bereitete er auch literarische Erzählungen auf, wie „Glück ist ein vorübergehender Schwächezustand“ aus dem Jahr 2009, die sich mit Themen auseinandersetzen, die oft Richard Wagner entlehnt sind.
In seiner Büchner-Preis-Rede vor 25 Jahren äußerte Dorst die Überzeugung, dass das „Verruchte die Phantasie anregt“. Seine Mutter, eine gebildete Frau, bezeichnete seine Stücke einmal als „Saustücke“, was Dorst als Ansporn empfand, immer weiter zu schreiben und sich künstlerisch auszudrücken.
Dorst gelang 1961 mit seiner „Großen Schmährede an der Stadtmauer“ der Durchbruch, ein Stück, das stark von Bertolt Brecht inspiriert war. Seine Auseinandersetzungen mit der Geschichte, die oft realistische und märchenhafte Elemente miteinander verbanden, sind ein zentrales Merkmal seines Schaffens. So hat er die politischen Wirren seiner Zeit in seinen Werken thematisiert, etwa in seinem Stück über den Revolutionsdramatiker Ernst Toller, das während der Studentenunruhen großen Anklang fand.
Ein häufiges Missverständnis über Dorsts Werk war der Vorwurf, sein Theater sei rein dokumentarisch. Dies wurde besonders in Bezug auf das Stück „Eiszeit“ (1973) geäußert, das sich mit dem Leben des norwegischen Nobelpreisträgers Knut Hamsun beschäftigt. Dorst selbst hat erklärt, dass das Böse ein faszinierendes Element der menschlichen Natur darstellt, und in mehreren seiner Stücke, wie „Korbes“, setzte er sich intensiv mit dieser Thematik auseinander.
Tankred Dorst verstarb im Juni 2017 in Berlin. Sein Zyklus über eine durch die Teilung Deutschlands getrennte Großbürgerfamilie, bestehend aus den Stücken „Dorothea Merz“, „Auf dem Chimborazo“ und „Die Villa“, bleibt auch heute von großer Relevanz. Diese Werke wurden nicht nur auf der Bühne aufgeführt, sondern dienten auch als Grundlage für erfolgreiche Fernsehproduktionen.
Dorst war stets der Meinung, dass Theater nicht um seiner selbst willen existieren sollte. Seine Stücke tragen eine unverwechselbare Handschrift, die durch ein tiefes Geschichtsbewusstsein, Elemente klassischer Märchen und zunehmend verblassende Utopien geprägt ist. „Die gescheiterte Utopie, das Misslingen, das ist unser Thema“, formulierte er einmal treffend.
Im Jahr 2006 gab Dorst sein Debüt als Opernregisseur mit einer Neuinszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth. Er sprang für den ursprünglich vorgesehenen Regisseur Lars von Trier ein, der seine Arbeit abgebrochen hatte. Der Frankfurter Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier charakterisierte Dorst als einen Dramatiker, der stets auch Historiker war





