Lorcans Abenteuer – Christoph Ransmayrs literarische Entdeckungsreise**

In dem neuen Werk „Egal wohin, Baby“ des österreichischen Autors Christoph Ransmayr nimmt der Protagonist Lorcan, der als Alter Ego des Schriftstellers fungiert, die Leser mit auf eine außergewöhnliche Reise um den Globus. Ransmayr, bekannt für seine kunstvolle und durchdachte Prosa, verbindet in diesem Buch traditionelle Themen mit persönlichen Erlebnissen, wodurch ein einzigartiges literarisches Erlebnis entsteht. Die Geschichten, die Lorcan erzählt, sind nicht nur fiktiv, sondern spiegeln auch wahre Begebenheiten wider, die sich in verschiedenen Kulturen und Ländern abspielen.

Ransmayrs Erzählstil ist sorgfältig und komplex; seine Sätze sind filigran aufgebaut und laden den Leser dazu ein, die verschiedenen Handlungsstränge zu erkunden. Lorcan bereist zahlreiche Länder und begegnet dabei kulturellen Besonderheiten, die jedes Kapitel zu einem neuen Erlebnis machen. In seinen „Mikroromanen“ – einer Bezeichnung, die vielleicht mehr als nur einen Namen braucht – setzt der Autor sich mit Themen wie Liebe, Krieg und Identität auseinander. Durch die Augen Lorcans erleben wir ein Elefantenfest, die Beziehung zwischen Pelikanen und Ikarus sowie das Leben eines Paares in einem Museum in Mexiko-Stadt. Diese Geschichten sind oft von einer tiefen Melancholie und einem Staunen über die Menschheit geprägt, ohne dass Lorcan dabei auf der Suche nach seinem eigenen Ich zu sein scheint.

Der Erzähler tritt in den Hintergrund und wird eher zu einem stillen Beobachter der Ereignisse, die er schildert. Ransmayr erläutert, dass seine „Mikroromane“ aus Tatsachen und Fragmenten seines Lebens bestehen, ähnlich wie die Fotos, die er im Vorübergehen aufnimmt. Diese Form der Erzählung führt zu einer spannenden und manchmal überraschenden Lektüre, in der der Leser immer wieder neue Perspektiven entdeckt. Die anfängliche Ankündigung, dass es sich hierbei um persönliche Erfahrungen handelt, erweist sich als raffinierte Irreführung. Der Autor spricht von einem „chaotischen Wirbel“ aus Erinnerungen und Gedanken, die durch verschiedene Zeiträume und Orte miteinander verbunden sind.

Ransmayr gelingt es, autobiographische Elemente in eine fiktive Erzählung zu integrieren, indem er sie einem erfundenen Charakter, Lorcan, zuordnet. Diese kreativen Entscheidungen eröffnen dem Leser neue Horizonte und bieten unterschiedliche Sichtweisen auf die Geschehnisse. So wird beispielsweise die „Sphäre der Götter“ in den Aztekenpyramiden nicht nur bewundert, sondern als Teil einer größeren Erzählung wahrgenommen. Der Aufstieg zu diesen architektonischen Wundern wird von Lorcan als eine Erfahrung beschrieben, die das individuelle Ich transzendiert. Er ist ein Teil des Pilgerstroms, auch wenn er nicht gläubig ist, und beschreibt seine Empfindungen mit einer Mischung aus Teilhabe und kritischer Distanz.

Besonders eindrucksvoll wird es, als Lorcan in Ingolstadt ankommt, wo er die Verspätungen der Deutschen Bahn erfährt und die Lebensrealität der Reisenden spiegelt. Hier entdeckt er das Graffiti „Egal wohin, Baby“, das für ihn eine Art Liebeserklärung darstellt. Der Gedanke, jemanden auf all seinen Wegen begleiten zu wollen, unabhängig von den Umständen, zieht sich durch das gesamte Werk. Bei einer Lesung trifft Lorcan auf einen Jungen im schwarzen Parka, der möglicherweise der Urheber des Spruchs ist. Diese Begegnung bleibt jedoch unvollendet, da der Junge flüchtig in der Dunkelheit verschwindet, was die Vergänglichkeit und die flüchtigen Momente des Lebens verdeutlicht.

Ransmayrs „Mikroromane“ sind mehr als nur eine Sammlung kurzer Geschichten; sie sind ein kaleidoskopisches Panorama des Reisens und des Lebens. Der Leser wird eingeladen, Lorcans Wege zu folgen und dabei die unzähligen Geschichten und Erfahrungen zu entdecken, die in den kleinen Erzählungen verborgen sind. Durch diese literarische Entdeckungsreise gelingt es Ransmayr, die Lesefreude zu steigern und das Interesse an den unerzählten Geschichten zu wecken, die in den alltäglichen Erlebnissen stecken. Mit „Egal wohin, Baby“ schafft Christoph Ransmayr ein eindrucksvolles Werk, das die Fantasie anregt und zum Nachdenken über die Vielfalt menschlicher Erfahrungen einlädt.