In ihrem Sammelband „Science Fiction und Labour Fiction“ beleuchten Peter Seyferth und Falko Blumenthal die faszinierenden und oft utopischen Perspektiven, die die Science-Fiction-Literatur hinsichtlich der Zukunft der Arbeit bietet. Ihre Arbeit geht über einen rein akademischen Ansatz hinaus; sie wird durch die Unterstützung der IG Metall München und der OPEN Library Politikwissenschaft gefördert, was die Absicht unterstreicht, die Gestaltung der Arbeitswelt aktiv zu thematisieren. In der Einleitung formulieren die Herausgeber die Aufforderung, sich mit Science-Fiction vertraut zu machen, und betrachten das Genre als Inspirationsquelle für kreative Ansätze in der Gewerkschaftsarbeit und im politischen Denken.
Seyferth und Blumenthal, die beide in unterschiedlichen Bereichen der Politik und der Sozialwissenschaften tätig sind, haben ihre Erkenntnisse aus zwei Workshops, die 2021 und 2023 in München stattfanden, in diesem Band zusammengetragen. Der Sammelband gliedert sich in drei Hauptsektionen: „Zukunftsorientierte Analyse der SF“, „Klassenkampf in der SF“ und „Andere Systeme in der SF“. Die Herausgeber betonen, dass Science-Fiction insbesondere im Kontext der sich rasant verändernden gesellschaftlichen Gegebenheiten durch digitale Technologien von Bedeutung ist. Sie argumentieren, dass die gegenwärtige Zeit selbst wie ein Science-Fiction-Szenario erscheint und das Genre in der Lage ist, Entwicklungen vorwegzunehmen und deren mögliche Auswirkungen zu reflektieren.
Ein zentraler Aspekt, den die Herausgeber hervorheben, ist die Notwendigkeit, das Subgenre der „labour fiction“ zu schaffen, um die spezifischen narrativen Strategien dieser Werke und deren Relevanz für die Gewerkschaftsarbeit zu erfassen. Die Einführung des Bandes wird durch die Kurzgeschichte „Hand, Herz und Hose“ von Theresa Hannig ergänzt, die als Beispiel für die Themen der Labour-Fiction dient. Darüber hinaus wird Science-Fiction als politisches Genre betrachtet, das die Legitimität von Macht und Einfluss durch die Kontrolle über Narrative der Zukunft auf eine besondere Weise thematisiert.
Im Verlauf des Buches wird Science-Fiction in verschiedenen Medien untersucht, darunter Literatur, Film, Serien und Videospiele. Die Beiträge variieren von Analysen einzelner Werke bis hin zu theoretischen Erörterungen des Genres und innovativen methodischen Ansätzen. Besonders hervorzuheben sind die Beiträge von Markus May und Jan Oliver Schwarz, die in ihrem Artikel „FOREXSCIFI – Foresight auf der Basis von Science Fiction“ die Nutzung von Science-Fiction-Literatur als Innovationsquelle thematisieren. Sie argumentieren, dass die Szenarien, die in der Science-Fiction dargestellt werden, oft die Realität beeinflussen können und dass algorithmische Verfahren helfen könnten, diese Szenarien auszuwerten und potenzielle Innovationen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ein weiterer bemerkenswerter Beitrag kommt von Maurice Schuhmann, der die Darstellung von Arbeitskämpfen in Bernhard Kellermanns Roman „Der Tunnel“ (1913) analysiert. Schuhmann zeigt auf, wie der Roman den Konflikt zwischen Arbeit und Kapital thematisiert, gleichzeitig aber den Streik als unberechenbare Naturgewalt darstellt, die nicht als strategisches Mittel des Arbeitskampfes erscheint. Diese Widersprüche in der Darstellung werfen Fragen darüber auf, wie Arbeitskämpfe in der Literatur und deren gesellschaftliche Relevanz interpretiert werden.
In der dritten Sektion des Bandes wird Chris Carlssons Roman „After the Deluge“ untersucht, der eine Utopie im San Francisco des Jahres 2157 entwirft. Hier wird das Konzept der „Nowtopia“ eingeführt, das die Selbstbestimmung der Arbeiter:innen außerhalb der Lohnarbeit propagiert. Carlsson entwirft eine Gesellschaft, in der Arbeit auf Freiwilligkeit basiert und die Entfremdung zwischen Menschen und ihrer Umwelt aufgehoben wird.
Insgesamt bietet der Sammelband von Seyferth und Blumenthal wertvolle Einsichten und Denkanstöße für alle, die sich mit der Zukunft der Arbeit und alternativen Arbeitsmodellen auseinandersetzen möchten. Die Diskussionen innerhalb des Buches verdeutlichen jedoch auch, dass viele Science-Fiction-Werke gesellschaftliche Probleme wie Armut oder Lohnarbeit oft simplifizieren oder gar ignorieren, was Raum für kritische Reflexionen und neue Überlegungen über die Zukunft der Arbeit schafft. Anstatt klare Lösungen zu präsentieren, fordert die Science-Fiction die Leser:innen dazu auf, weiterzudenken und eigene Visionen für eine gerechtere Arbeitswelt zu entwickeln.