Ein neuer Blick auf den Börsenverein des Deutschen Buchhandels: „Zwischen Zeilen und Zeiten“ von Ha…

Im Jahr 2000 feierte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sein 175-jähriges Bestehen mit einer traditionellen Festschrift. Nun, ein Vierteljahrhundert später, präsentieren Christine Haug und Stephanie Jacobs mit dem Werk „Zwischen Zeilen und Zeiten“ eine erfrischend andere Erzählung über die Geschichte dieser bedeutenden Institution. Die Herausgeberinnen haben 71 Autorinnen und Autoren versammelt, die in insgesamt 216 Beiträgen einen facettenreichen und anekdotischen Rückblick auf 200 Jahre Börsenvereinsgeschichte sowie dessen Vorläufer seit der Mitte des 18. Jahrhunderts geben.

Im Vorwort erläutern Haug und Jacobs die Themen, die in den Essays behandelt werden. Die Texte sind in der Regel nicht länger als eine Seite und sind mit Literaturhinweisen versehen. Sie zeichnen ein lebendiges Bild der Geschichte, das sowohl die Herausforderungen der Zensur und die Errungenschaften der Meinungsfreiheit beleuchtet als auch Aspekte wie Lektürekonjunkturen, Erholungsheime für Buchhändler und die Überwachung durch die Gestapo einbezieht. Darüber hinaus werden die vielfältigen Beziehungen zwischen Autoren und Verlagen, Händlern und Lesern sowie zwischen den Verbandsvertretern und den oft gegensätzlichen Strömungen innerhalb der Branche thematisiert.

Die Geschichten der verschiedenen Epochen sind ebenso vielfältig wie die Menschen, die sie prägten. Sie reichen vom Justizmord an dem Buchhändler Johann Philipp Palm über die Regelungen zur Buchpreisbindung bis hin zu den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf die Buchkultur. Ein einschneidendes Ereignis war das unterwürfige Sofortprogramm, welches der Vorstand des Börsenvereins am 12. April 1933 verabschiedete und das die Gleichschaltung der Institution einleitete. Auch die großen Buchmessen in Leipzig und Frankfurt finden Erwähnung und werden in ihren unterschiedlichen Kontexten beleuchtet.

Was dieses Buch besonders auszeichnet, sind nicht nur die gut verständlichen und meist ohne wissenschaftliche Fachsprache verfassten Texte, sondern auch die 137 sorgfältig ausgewählten Abbildungen. Diese reichen von historischen Darstellungen wie dem Denkerclub von 1819, der die Unterdrückung der Meinungsfreiheit satirisch thematisiert, bis hin zu Bildern von Buchhandlungen und Verlagsständen aus verschiedenen Epochen. Diese visuelle Komponente schafft eine zusätzliche Dimension, die das Leseerlebnis bereichert.

Das Layout des Bandes ist großzügig gestaltet: Die Texte sind zweispaltig gesetzt, wobei in der Regel nur eine Spalte für den Text genutzt wird. Die Schriftart, Boogy Brut Regular, ist gut lesbar, und das Papier hat eine durchscheinende, mattweiße Oberfläche. Diese Gestaltung könnte symbolisch für die Transparenz der Institution stehen, während die umgedrehte Jahreszahl 2025 auf dem Cover möglicherweise auf die unsichere Zukunft des Börsenvereins hinweist.

Im Vorwort wird auch auf die Unterstützung hingewiesen, die das Projekt von verschiedenen Sponsoren erhalten hat. Neben Privatpersonen wie der ehemaligen Vorsteherin des Börsenvereins, Dorothee Hess-Maier, und Klaus G. Saur sind auch zahlreiche Verlage eingebunden, darunter die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Auffällig ist, dass die beiden anderen großen deutschen Buchkonzerne, Penguin Random House und Bonnier, nicht genannt werden, was Raum für Spekulationen lässt.

Insgesamt bietet „Zwischen Zeilen und Zeiten“ eine gelungene Sammlung von Ereignissen, Anekdoten und Porträts, die nicht nur informativ ist, sondern auch zum Blättern und Entdecken einlädt. Dieses Buch ist mehr als nur eine Geschichtsschreibung; es ist ein lebendiges Dokument der Entwicklung des deutschen Buchhandels und der damit verbundenen kulturellen Strömungen. Die Herausgeberinnen und die beteiligten Autorinnen und Autoren schaffen es, die komplexe Geschichte des Börsenvereins sowohl unterhaltsam als auch lehrreich zu präsentieren. Ein unverzichtbares Werk für alle, die sich für die Geschichte des Buchhandels und der Literatur interessieren.