Die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Deutschrap: Ein notwendiger Schritt oder über…

In der aktuellen Diskussion um die literaturwissenschaftliche Anerkennung des Deutschrap, wie sie von Julia Ingold und Manuel Paß in ihrem neuen Sammelband vorgestellt wird, stellt sich die Frage, ob dieser Musikstil tatsächlich eine solche Anerkennung benötigt. Der Gedanke, dass Lieder und Gedichte eng miteinander verwoben sind, ist in der Literaturwissenschaft allgemein anerkannt. Historisch gesehen stammt das Gedicht vom Lied ab – auch wenn sich die Hochlyrik von den singenden Aspekten entfernt hat, insbesondere seit dem 19. Jahrhundert. In dieser Zeit wurden Gedichte weniger als gesungene Texte betrachtet, sondern vielmehr als sorgfältig durchdachte, oft unversifizierte Kunstwerke, die still gelesen werden sollten. Doch die Realität ist komplexer, denn während sich das „E-Gedicht“ zunehmend vom Lied entfernt, entstehen gleichzeitig neue populäre Musikgenres, die sich aktiv mit Lyrik und Reim auseinandersetzen und die das gesungene Wort in den Vordergrund stellen. Zu diesen Genres zählen im 20. Jahrhundert Arbeiterlieder, Schlager, Protestsongs, Popmusik und, als eine Unterkategorie des Pop, auch Hip-Hop und Rap.

Ein zentrales Problem bei diesen populären Genres ist jedoch ihre enge formale Struktur, die oft wenig Raum für Variation und kreative Abweichungen bietet. Diese Einschränkungen führen dazu, dass sie häufig in der literaturwissenschaftlichen Diskussion abgewertet und an den Rand gedrängt werden. Ein gewisses Maß an Wiederholung und das Festhalten an traditionellen Mustern wird jedoch nicht als kreative Leistung anerkannt. Dennoch zeigen populäre Genres, wie Rap, durch ihre Kunstfertigkeit und ihren kulturellen Einfluss, dass sie einen Platz in der literarischen Landschaft verdienen. Ein Beispiel ist die Verleihung des Literaturnobelpreises an Bob Dylan, der die Forderung nach einer Anerkennung von Protestsongs in der Literaturwissenschaft erfüllte. Nun wird im Kontext des Deutschrap, insbesondere mit Bezug auf den Künstler OG Keemo, ebenfalls eine ähnliche Anerkennung angestrebt, was die Debatte um die literarische Wertigkeit des Genres weiter anheizt.

Trotz dieser Bemühungen bleibt die Literaturwissenschaft hinter den Erwartungen zurück. Insbesondere die Analyse von Protestliedern und deren Platz in der Populärkultur wird oft stiefmütterlich behandelt. Der Sammelband von Ingold und Paß versucht, durch 15 Beiträge eine wissenschaftliche Untersuchung des Deutschrap zu etablieren. Die Herausgeber argumentieren, dass Rap nicht nur populär, sondern auch ein wichtiger Bestandteil der zeitgenössischen Lyrik darstellt. Diese Ansicht ist nicht unbestritten, da die Beiträge sich oft auf die Textanalyse konzentrieren und dabei andere Elemente des Rap, wie Stimme, Phrasierung und musikalische Arrangements, vernachlässigen. Die Reduktion des Genres auf seine Texte bringt die Debatte um die literarische Qualität des Rap in den Fokus, ohne die Komplexität des Genres vollständig zu erfassen.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass die Literaturwissenschaft oft als unzureichend angesehen wird, um die kulturellen Codes und Botschaften, die im Rap verborgen sind, zu entschlüsseln. Diese Aufgabe wird häufig den Fans und den Communities selbst überlassen, die über ein tieferes Verständnis der kulturellen Kontexte verfügen. Infolgedessen wird das Feuilleton, das eng mit der Literaturwissenschaft verbunden ist, als unfähig angesehen, über Rap zu berichten, da es als elitär und unpassend wahrgenommen wird.

Die Frage bleibt, ob die Literaturwissenschaft sich tatsächlich mit dem Rap befassen sollte oder ob dies eine überflüssige Anstrengung ist. Während die Herausgeber des Sammelbandes die Bedeutung des Deutschrap als künstlerisches Phänomen hervorheben, könnte argumentiert werden, dass eine solche Anerkennung nicht notwendig ist, da der Rap bereits ein unverzichtbarer Teil der kulturellen Landschaft ist. Diese Überlegung wirft die Frage auf, ob sich die Literaturwissenschaft nicht vielmehr auf ihre eigene Rolle und Relevanz in der zeitgenössischen Kultur konzentrieren sollte, anstatt um die Anerkennung eines Genres zu kämpfen, das sich möglicherweise nicht um ihre Validierung kümmert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Sammelband von Ingold und Paß einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die literaturwissenschaftliche Anerkennung des Deutschrap leistet. Dennoch bleibt die Frage offen, ob eine solche Anerkennung wirklich notwendig ist oder ob der Rap, wie viele andere populäre Musikformen, bereits seinen eigenen Platz in der Kultur und im Leben der Menschen gefunden hat – unabhängig von der akademischen Validierung. Die Literaturwissenschaft muss sich diesen