Eine neue Aufsatzsammlung, herausgegeben von Angela Oster und Jörg Schwarz, beleuchtet die vielschichtigen Verbindungen zwischen Umberto Ecos literarischem Werk und dem Mittelalter. In einer Zeit, in der viele Leser mit dem Begriff der Semiotik wenig anfangen können, ist Umberto Eco als einer der bekanntesten Vertreter dieses Fachs präsent, vor allem durch seine Romane. Doch während sein literarischer Ruhm unbestritten ist, bleibt seine wissenschaftliche Arbeit häufig im Schatten stehen. Dies wirft die Frage auf, ob die Anerkennung als erfolgreicher Romanautor seine Bedeutung als Wissenschaftler mindert und ob diese Dichotomie in der Wahrnehmung der Leser eine Rolle spielt.
Im dunkelsten Afrika
Im Sudan, der ab 1821 unter die Herrschaft der osmanischen Vizekönige von Ägypten gekommen war, brach 1881 der Mahdiaufstand aus. Nach dem Abzug der anglo-ägyptischen Truppen aus dem Sudan behauptete sich der deutsche Forscher Emin-Pascha als Gouverneur der südlichsten Provinz des Sudan Äquatoria.
Emin-Pascha, bürgerlich Eduard Schnitzer, schrieb einen Brief an die Times, in dem er um Hilfe bat. Die Empathie in der britischen Bevölkerung führte dazu, dass rasch die finanziellen Mittel für eine Expedition zur Befreiung Emin-Paschas aufgebracht wurden.
Der Afrikaforscher Henry M. Stanley wurde beauftragt, die Expedition zu leiten. Ob und wie es Stanley gelang Emin-Pascha zu retten und welche Abenteuer er auf seiner Expedition erlebte, das beschreibt der Autor Stanley in diesem Buch.
Die von Oster und Schwarz herausgegebene Sammlung thematisiert vor allem Ecos bekanntesten Roman „Der Name der Rose“, der nicht nur als Kriminalgeschichte im Kloster-Milieu des Mittelalters bekannt ist, sondern auch als Schlüsselwerk zur Vermittlung mittelalterlicher Kultur und Denkweisen dient. Der Band ist ein Versuch, Ecos Zugang zum Mittelalter zu ergründen und dabei sowohl seine literarischen als auch seine wissenschaftlichen Ansätze zu beleuchten. Die Herausgeber betonen, dass die Auseinandersetzung mit Ecos Mittelalter nicht nur auf den populären Aspekt seines Schaffens beschränkt ist, sondern auch tiefere kulturelle und geistesgeschichtliche Fragen aufwirft.
Die Beiträge in diesem Band variieren stark in ihrem Ansatz und ihrer Methodik. Während einige Autoren versuchen, die Intertextualität zwischen Ecos Romanen und den historischen Gegebenheiten des Mittelalters aufzuschlüsseln, kommt bei anderen der Eindruck auf, sie distanzierten sich von der Popularität des Autors und fokussierten sich stattdessen auf eine akademische Selbstreferentialität. Dies führt oft zu einer gewissen Abgehobenheit in den Argumentationen, die den Zugang für ein breiteres Publikum erschwert. Besonders auffällig ist der Versuch, die Leser zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Mittelalter zu bewegen, was im Widerspruch zu der breiten Leserschaft steht, die Eco als Unterhaltungsliteratur schätzt.
In der Einleitung des Bandes wird klar, dass die Herausgeber einen ausgewogenen Diskurs zwischen wissenschaftlicher Tiefe und literarischer Zugänglichkeit anstreben. Sie diskutieren die Herausforderungen, die mit der Übersetzung von Ecos Werken in andere Sprachen verbunden sind, und reflektieren über die Bedeutung von Ecos Bildungsbegriff in einer zunehmend postmodernen Wissensgesellschaft. Es wird argumentiert, dass Ecos Ansatz, die Vergangenheit zu reflektieren und zeitgenössische Themen darin zu verankern, für die heutige Leserschaft von großer Relevanz ist.
Die einzelnen Beiträge sind sehr unterschiedlich in ihrer Qualität und Tiefe. Einige Essays, wie der von Anja Grebe über die bildlichen Darstellungen im „Namen der Rose“, bieten interessante Einblicke in die Kunstgeschichte des Mittelalters und deren Relevanz für die Romanhandlung. Andere Beiträge hingegen scheinen sich in theoretischen Überlegungen zu verlieren, ohne klare Verbindungen zur Leserschaft herzustellen. Die Autorin Julia Ilgner beispielsweise fordert eine Verbindung zwischen Ecos journalistischem Kriminalroman und seinen mittelalterlichen Themen, doch die Argumentation bleibt oft vage und lässt die Leser mit Fragen zurück.
Die kritische Auseinandersetzung mit Eco und seiner Rezeption bleibt jedoch nicht auf die literarischen Werke beschränkt. Jörg Schwarz befasst sich intensiv mit der Frage, wie Ecos Schriften das Bild des Mittelalters in der Gegenwart prägen. Er argumentiert, dass die idealisierten Darstellungen des Mittelalters, wie sie in der geisteswissenschaftlichen Tradition entstanden sind, durch Ecos Werke in Frage gestellt werden. Dies eröffnet neue Perspektiven auf die Art und Weise, wie wir Geschichte und deren Relevanz für die Gegenwart verstehen.
Insgesamt bietet die Sammlung ein facettenreiches Bild von Umberto Ecos Mittelalter und regt zur Diskussion über die Verbindungen zwischen literarischer Fiktion und historischer Realität an. Auch wenn einige Beiträge den Eindruck erwecken, in ihrer eigenen Fachsprache gefangen zu sein, gelingt es anderen, Brücken zu schlagen und Ecos Bedeutung für die moderne Literatur und das Verständnis des Mittelalters zu beleuchten. Die Herausgeber und Autoren leisten somit einen wertvollen Beitrag zu einem besser fundierten Verständnis von Ecos Werk und dessen kulturellem Erbe. Trotz kleinerer Schwächen ist dieser Band eine lohnenswerte Lektüre für alle, die sich für die Schnittstelle zwischen Literatur, Geschichte und Semiotik interessieren.