Knut Jansen, Revierleiter der Polizeistation in Valandsiel, und sein Kollege Bernd Magnussen werden in dem Thriller Der Jungfrauenmacher von Derek Meister zu einer Leiche gerufen, die von einer Sturmflut an den Strand gespült wurde. Am Verwesungsgrad und der Besetzung durch Krebse ist ersichtlich, dass der Tod vor einiger Zeit eingetreten sein muss. Nachdem sich Knut vom grauenvollen Anblick der Leiche einigermaßen erholt hat, muss er direkt zum „Dünenkieker“ fahren. Helen Henning, die seit fünf Jahren in Washington lebt und gerade erst in Valandsiel angekommen ist, weil sie von ihrem verstorbenen Vater Joost ein Wohnhaus mit Restaurant in den Dünen geerbt hat, fühlt sich von einem Einbrecher bedroht und hat die Polizei verständigt. Im Gespräch mit ihr erfährt Knut, dass sie als Profilerin das FBI beraten hat. So bittet er sie um Mithilfe bei den laufenden Ermittlungen.
Wie die Untersuchungen ergeben, wurden der Toten, bei der es sich um ein pubertierendes Mädchen handelt, beide Füße abgetrennt, was auf einen Mord hindeutet. Johann Maas vom LKA wird die Leitung der einberufenen SOKO übertragen. Dann wird am Jachthafen eine zweite Leiche mit ebenfalls abgetrennten Füßen angespült. Auch in ihrem Körper findet sich, wie schon bei der ersten Leiche, Silikagel, was üblicherweise Schuhkartons in kleinen Beuteln beigefügt wird, was den Ermittlern klar macht, dass sie es offensichtlich mit einem Serientäter zu tun haben. Um die Identität der Toten aufklären zu können, sichtet Knut alte Protokolle seines Vaters, deren Nachfolge er als Revierleiter angetreten hat. In den Unterlagen sind alle als vermisst gemeldeten Mädchen aus Valandsiel der letzten dreißig Jahre gelistet und tatsächlich stammen die beiden Toten von hier. Knut stößt bei seinen Recherchen auf ein Muster: Jeweils im Juni ist eines der Mädchen verschwunden. Da der aktuelle Kalender diesen Monat anzeigt, haben Knut und Helen nicht mehr viel Zeit, wenn sie einen weiteren Mord verhindern wollen.
Das grausige Hobby von Sir Joseph Londe
„Was für einen Unfug wollen Sie von mir?“, fragte Daniel – vergeblich versuchte er, sich aufzusetzen.
„Nur um einen Blick auf Ihr Gehirn zu werfen“, war die angenehme Antwort.
„Mein – mein was?“ Daniel keuchte.
„Ihr Gehirn“, wiederholte der andere, nahm eines der Messer aus der Schachtel und untersuchte es kritisch. „Übrigens, Sie wissen natürlich, wer ich bin? Ich bin Sir Joseph Londe, der größte Chirurg der Welt. Ich habe mehr Operationen durchgeführt, als es Sterne am Himmel gibt. Leider wurde eines Tages ein kleiner Teil meines Gehirns rot. … Solange ich diesen kleinen Teil des roten Gehirns nicht ersetzen kann, bin ich verrückt. …. In Sie habe ich jedoch absolutes Vertrauen.“
„Wie wollen Sie an mein Gehirn rankommen?“ Daniel fand die Kraft zu fragen.
„Ich will es natürlich herausschneiden“, erklärte der andere. „Sie brauchen nicht die geringste Angst zu haben. Ich bin der beste Operator der Welt.“
„Und was machen Sie danach mit mir?“
Der Chirurg kicherte.
„Ich begrabe Sie im Steingarten“, antwortete er. „Ich nenne ihn meinen Friedhof. Wenn Sie jetzt so freundlich wären, ganz still zu bleiben …“
Das ist ein kurzer Textausschnitt aus dem Buch, das Spannung und einen besonderen Lesegenuss verspricht.
Schon der Prolog des Thrillers Der Jungfrauenmacher verursacht beim Leser ein Herzklopfen, das ihn, abgesehen von den aufatmenden Abschnitten, bis zum Ende des Romans begleiten wird. Immer wieder ist von den Handlungen und Vorbereitungen des Mörders die Rede, ohne seine Identität preiszugeben. Derek Meister verstärkt dadurch die Spannung, da der Leser im Gegensatz zu den Ermittlern schon weiß, was der Mörder plant oder bereits ausführt. Allerdings macht der Autor oft auch nur zunächst unverständliche und verwirrende Andeutungen des Grauens.
Bei dem Thriller handelt es sich um den ersten Teil einer Serie, deren weitere Folgen sich wohl mit dem Fortgang der Erbstreitigkeiten zwischen Helen mit ihrer Mutter und Schwester und auch mit dem sich abzeichnenden Zwist zwischen Knut und seinem Vater Thor beschäftigen werden. Als Handlungsort hat Derek Meister wohl in weiser Voraussicht eine fiktive Nordseeinsel gewählt. Denn kaum ein real existierender Ort möchte mit so grausamen Verbrechen, wie im Roman beschrieben, in Zusammenhang gebracht werden. Wer bei den äußerst kranken und perversen Handlungen des Mörders schnell die Nerven verliert, dürfte wie der Protagonist das Bedürfnis, sich zu übergeben, verspüren. Wer aber genau diesen Nervenkitzel sucht, mag sich auf die Folter spannen lassen und darf neugierig darauf sein, was Der Jungfrauenmacher in seinem kranken Hirn mit jungen Mädchen anstellt.
Derek Meister, Der Jungfrauenmacher, Blanvalet Verlag 2015, Taschenbuch, 414 Seiten, ISBN 978-3-7341-0060-4, Preis: 9,99 Euro.