Die neurobiologischen Wurzeln ideologischer Überzeugungen: Eine Erkundung von Leor Zmigrods „Das id…

In ihrem aufschlussreichen Buch „Das ideologische Gehirn“ wagt die Neurobiologin Leor Zmigrod eine tiefgehende Analyse der Zusammenhänge zwischen neurobiologischen Prozessen und der Entstehung politischer Ideologien. Zmigrod hat es sich zur Aufgabe gemacht, in verständlicher Sprache die komplexen molekularbiologischen Grundlagen zu beleuchten, die hinter unseren politischen Überzeugungen stehen. Sie kombiniert dabei wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Neurobiologie mit Aspekten der Politikwissenschaft, was zu einem neuartigen Ansatz in der Forschung führt.

Die Autorin beginnt ihr Werk mit einer historischen Betrachtung des Begriffs „Ideologie“. Sie zeigt auf, dass Ideologien nicht nur als normative, sondern auch als deskriptive Konzepte verstanden werden können. In der heutigen Zeit werden Ideologien oft als absolutistische Weltanschauungen wahrgenommen, die vorgeben, wie Menschen denken und handeln sollten. Zmigrod argumentiert, dass diese Denkweisen auf einer strengen Doktrin beruhen, die besagt, es gebe nur eine richtige Lösung für komplexe gesellschaftliche Fragen. Menschen, die solchen Ideologien anhängen, sind oft intolerant gegenüber abweichenden Meinungen und fordern Konformität innerhalb ihrer Gruppe.

Ein zentrales Anliegen von Zmigrod ist es, die Mechanismen zu verstehen, die ideologisches Denken begünstigen. Sie identifiziert drei Schlüsselfaktoren, die die Neigung zu ideologischen Überzeugungen beeinflussen: die biologischen Grundlagen des Individuums, dessen körperliche Verfassung und die persönlichen Erfahrungen und Narrative. Diese Elemente stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander und formen letztlich die Art und Weise, wie Menschen ideologisch denken und handeln. Zmigrod hebt hervor, dass ideologische Überzeugungen nicht willkürlich entstehen, sondern tief im menschlichen Gehirn verwurzelt sind.

Im weiteren Verlauf ihres Buches analysiert Zmigrod die neuronalen Aktivitäten, die mit ideologischem Denken einhergehen. Sie erklärt, dass das Gehirn, das ideologisches Denken fördert, in der Regel kognitiv rigide und emotional weniger reguliert ist. Dies führt dazu, dass Menschen, die stark ideologisch geprägt sind, oft Schwierigkeiten haben, neue Informationen offen zu betrachten und wissenschaftliche Prinzipien zu akzeptieren, die eine kritische Hinterfragung von Überzeugungen erfordern. Ideologische Denker neigen dazu, in binären Kategorien zu denken und sind weniger sensibel gegenüber Ungerechtigkeiten oder Verletzungen, was ihre Fähigkeit, Empathie zu empfinden, beeinträchtigen kann.

Zmigrod unternimmt auch den Versuch, die neuronalen Unterschiede zwischen ideologischen und nicht-ideologischen Denkweisen empirisch zu belegen. Sie führt verschiedene Experimente durch, darunter den Alternative Use Test und den Wisconsin Card Sorting Test, um die kognitiven Prozesse zu untersuchen, die in unterschiedlichen Denkstilen ablaufen. Ihre Ergebnisse zeigen signifikante Unterschiede in der neuronalen Aktivität zwischen Personen, die ideologisch und nicht-ideologisch denken. Diese Erkenntnisse unterstützen die These, dass ideologisches Denken nicht nur eine Frage der Überzeugungen ist, sondern auch tief in der biologischen Struktur des Gehirns verankert ist.

Ein besonders interessanter Aspekt von Zmigrods Forschung ist die Rolle von genetischen Dispositionen und epigenetischen Faktoren, die ideologisches Denken beeinflussen können. Sie verweist auf die Arbeiten von Else Frenkel-Brunswick, einer oft übersehenen Forscherin, die sich mit der autoritären Persönlichkeit beschäftigt hat. Zmigrod erkennt an, dass Frenkel-Brunwicks empirische Studien einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der psychologischen Grundlagen von Ideologien geleistet haben.

Insgesamt bietet „Das ideologische Gehirn“ nicht nur eine fundierte Analyse der neurobiologischen Grundlagen ideologischer Überzeugungen, sondern regt auch zur Reflexion über die eigene Denkweise an. Zmigrods Buch ist ein wertvoller Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Polarisierung in der Gesellschaft und die Mechanismen, die zu extremen politischen Haltungen führen. Es eröffnet neue Perspektiven auf die Frage, wie wir als Gesellschaft mit unterschiedlichen Ideologien umgehen und die Herausforderungen, die sich aus diesen Überzeugungen ergeben, bewältigen können. Zmigrods Ansatz ist sowohl wissenschaftlich fundiert als auch für ein breiteres Publikum zugänglich, was ihr Werk besonders lesenswert macht.