Der C. Bertelsmann-Autor und ehemalige Stern-Chefredakteur ist im Alter von 74 Jahren gestorben.
Als wir den Vertrag über sein neues Buch geschlossen haben, wussten wir beide, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde. Doch er hatte, typisch Michael Jürgs, auch die öffentliche Präsentation dieses Buches in Hamburg schon geplant. Dass er bei der Auswahl seiner Themen keine Tabus kannte, bewies er auch bei seinem letzten Buch, dessen Manuskript er kurz vor seinem Tod vollendete. Am vergangenen Freitag haben wir es unseren VerlagskollegInnen vorgestellt: »Post mortem. Was ich nach meinem Tod erlebte und wen ich im Jenseits traf« – das war der Titel, den Michael Jürgs sich gewünscht hatte. Noch während der Sitzung erreichte uns die Nachricht von seinem Tod. Ich habe Michael Jürgs Ende der Neunzigerjahre kennengelernt. Wir haben im Laufe der Jahre 13 Bücher zusammen veröffentlicht, und dieser umtriebige, gebildete, meinungsstarke Mann ist mir während unserer intensiven, oft kontroversen, aber immer konstruktiven Zusammenarbeit zum Freund geworden. Ein guter Journalist musste für Michael Jürgs zwei Antrieben genügen: Leidenschaft und Wahrheitsliebe. Beide Eigenschaften, gepaart mit dieser unstillbaren Neugier, trieben ihn auch als Autor an. Er brannte für das Schreiben, und er kämpfte für seine Themen und Texte, die so vielfältig und überraschend waren wie der Autor selbst: »Der kleine Frieden im großen Krieg« oder die Anklageschrift über den »Sklavenmarkt Europa«, seine Reise zu den Orten deutscher Geschichte in »Wer wir waren, wer wir sind« oder seine Polemik »Seichtgebiete. Warum wir hemmungslos verblöden«, die zu einem großen Bestseller wurde. Kein Wunder, dass ihn die Süddeutsche Zeitung schon vor Jahren als den »vielleicht vielseitigsten und besten deutschen Sachbuchautor« bezeichnete. Bei einer Routineuntersuchung Anfang 2018 mit der Diagnose Krebs konfrontiert, verarbeitete er den Schock schreibend. Er verfasste einen eindringlichen Text über seinen Beruf, der ihm zur Berufung geworden war. Sein Artikel über die für eine lebendige Demokratie existenzielle Bedeutung des unabhängigen Journalismus erregte unter seinen KollegInnen Aufsehen und brachte ihm Lob und Zuspruch ein. Wie stets bezog er eindeutig Position und entlarvte die Polemik der Rechtspopulisten gegen die freie Presse. Zwei Wochen vor seinem Tod erhielt Michael Jürgs den Theodor-Wolff-Preis für sein Lebenswerk, eine der höchsten journalistischen Auszeichnungen des Landes. Du bist früh gegangen, lieber Michael. Viel zu früh. Die Präsentation Deines neuen, Deines letzten Buches, werden wir ohne Dich durchführen müssen. Wir werden Dich vermissen.Johannes Jacob
Quelle: Random House