Der von Necia Chronister, Sonja E. Klocke und Lars Richter herausgegebene englischsprachige Sammelband „Juli Zeh. A Critical Companion“ bietet einen umfassenden Überblick über das Werk und die Person der renommierten deutschen Autorin. Seit der Veröffentlichung ihres Debütromans „Adler und Engel“ im Jahr 2001 hat sich Juli Zeh zu einer bedeutenden Stimme der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur entwickelt. Ihre Werke werden international wahrgenommen und diskutiert, und sie ist auch als öffentliche Intellektuelle in politischen und gesellschaftlichen Debatten aktiv.
Zehs literarisches Schaffen ist dabei nicht auf ihre Romane beschränkt. Sie ist auch als Juristin tätig, insbesondere als ehrenamtliche Richterin am Brandenburger Verfassungsgericht. Diese verschiedenen Rollen spiegeln sich in den vielfältigen Themen und Perspektiven wider, die in ihren Texten behandelt werden. In den letzten Jahren sind bereits mehrere Sammelbände erschienen, die sich mit unterschiedlichen Aspekten ihrer Arbeit beschäftigen. Der neueste Band hebt sich jedoch durch seine rein englischsprachige Ausrichtung und die Einbeziehung anglo-amerikanischer Perspektiven hervor.
Ein zentrales Anliegen des Sammelbandes ist es, die jüngsten Entwicklungen in Zehs Schaffen zu reflektieren. Ihre letzten Romane, „Über Menschen“ und „Zwischen Welten“, sowie ihre öffentlichen Äußerungen zu Themen wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Konflikt haben teils kritische Reaktionen ausgelöst. Der Band selbst formuliert ein gewisses Unbehagen gegenüber diesen Entwicklungen, was darauf hinweist, dass sich die Perspektiven auf Zeh und ihr Werk gewandelt haben. Die Herausgeber betonen, dass die Auseinandersetzung mit Zeh sowohl die positiven als auch die kritischen Aspekte ihrer Arbeit umfassen sollte.
Der Sammelband gliedert sich in mehrere Abschnitte, die unterschiedliche Themen und Diskurslinien behandeln. So wird beispielsweise die Idee des „Juliverse“ eingeführt, die auf den intertextuellen Verknüpfungen zwischen Zehs Romanen basiert. Lars Richter beschreibt, wie diese Verbindungen eine offene Netzwerkstruktur schaffen, die es Lesern ermöglicht, die vielschichtigen Beziehungen zwischen den Texten zu erkunden. In einem weiteren Beitrag wird Zeh als „Chronistin der Gegenwart“ charakterisiert, was auf ihre Fähigkeit hinweist, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen literarisch zu reflektieren. Stephen Brockmann hebt hervor, dass Zehs Schreiben nicht mehr nur in Bezug auf die Vergangenheit, sondern auch in der Auseinandersetzung mit der Gegenwart und ihrer Komplexität steht.
Einige Beiträge widmen sich besonders der politischen Dimension von Zehs Werk. So untersucht Sonja E. Klocke, wie Zeh in ihrem Roman „Corpus Delicti“ dystopische Elemente mit realen politischen Ereignissen verknüpft und eine kritische Warnung vor einer Gesundheitsdiktatur formuliert. Diese Darstellung wird jedoch als einseitig wahrgenommen, da sie soziale Aspekte vernachlässigt. Thomas B. Fuhr hingegen argumentiert, dass Zeh als moderne Heimatschriftstellerin agiert, die mit ihren Brandenburg-Romanen einen klassischen Stadt-Land-Gegensatz beleuchtet und damit eine Stimme für bestimmte Bevölkerungsgruppen einnimmt.
Darüber hinaus werden in einem Abschnitt über „Gesellschaft und Natur“ ökologische und feministische Perspektiven auf Zehs Romane erörtert. Beiträge zeigen, wie Themen wie Tierethik und kapitalistische Strukturen in ihren Texten verankert sind. Necia Chronister analysiert beispielsweise, wie in „Nullzeit“ und „Neujahr“ kapitalistische Dynamiken die Natur beeinflussen und umgekehrt. Diese kritische Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen unterstreicht Zehs Rolle als literarische Chronistin, die es versteht, relevante Themen aufzugreifen und in ihren Werken zu verarbeiten.
Insgesamt bietet der Sammelband „Juli Zeh. A Critical Companion“ eine differenzierte und vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Werk und der Person von Juli Zeh. Er beleuchtet sowohl die positiven Aspekte ihres Schaffens als auch die kritischen Stimmen, die sich in den letzten Jahren geäußert haben. Damit schafft der Band nicht nur einen wertvollen Zugang für Studierende der Germanistik an internationalen Universitäten, sondern regt auch zur weiteren Forschung und Diskussion über Zehs literarisches und politisches Wirken an. Der Sammelband ist somit sowohl eine Einführung in die komplexe Welt von Juli Zeh als auch ein Anstoß für vertiefte Auseinandersetzungen mit ihren Werken.