Moby-Dick in seiner ursprünglichen Übersetzung: Ein Blick auf Friedhelm Rathjens Werk**

Herman Melvilles Meisterwerk „Moby-Dick“ zählt zu den bedeutendsten Romanen der amerikanischen Literatur. Die erste deutsche Übersetzung, die von Friedhelm Rathjen angefertigt wurde, ist ein faszinierendes Projekt, das zwischen Januar 1992 und Oktober 1993 entstand. Ursprünglich auf Initiative von Norbert Wehr für eine geplante Gesamtausgabe von Melvilles Werk konzipiert, fand die Übersetzung erst Jahre später ihren Weg zur Veröffentlichung. Diese Übersetzung ist besonders, da sie Rathjens ursprüngliche Intentionen und sprachlichen Nuancen bewahrt.

Der Hanser-Verlag erwarb 1994 die Rechte an Rathjens Übersetzung und plante, diese zusammen mit Wehr sowie Paul Ingendaay und Hermann Wallmann als Herausgeber zu realisieren. Leider scheiterte dieses Vorhaben aus finanziellen Gründen, und die Veröffentlichung verzögerte sich erheblich. Der Roman fand schließlich 2001 auf stark reduzierte Weise den Weg in den Buchhandel, jedoch in einer bearbeiteten Version von Matthias Jendis. Diese Überarbeitung war so umfassend, dass Rathjen beschloss, seinen Namen von dem Werk zurückzuziehen. Aufgrund eines Auflösungsvertrags verzichtete er auf alle Rechte an der bearbeiteten Fassung und erhielt im Gegenzug die Rechte an seiner ursprünglichen Übersetzung zurück.

Im November 2001 überarbeitete Rathjen seine Übersetzung erneut, um sie interessierten Verlagen anzubieten. Dies führte im März 2003 zu einem Vertrag mit dem Verlag Zweitausendeins, der die ungehobelte Ur-Übersetzung schließlich im September 2004 veröffentlichte. Diese Ausgabe wurde von Norbert Wehr herausgegeben und mit einem umfangreichen Anhang versehen. Der Text wurde lektoriert, wobei Wehr zusammen mit Katharina Narbutovič arbeitete, und zwar mit Zustimmung des Übersetzers. Diese autorisierte Fassung erschien bis 2011 in mehreren Ausgaben des Verlags Zweitausendeins und auch in Lizenz im Marebuchverlag, einschließlich eines vollständigen Hörbuchs, das von Christian Brückner eingelesen wurde.

2016 brachte der Verlag Jung und Jung eine überarbeitete Ausgabe der lektorierten Übersetzung mit einem veränderten Anhang heraus; diese ist seit Anfang 2025 vergriffen. Die kürzlich veröffentlichte limitierte Auflage der unlektorierten Übersetzung aus dem November 2001 bietet den Lesern die Möglichkeit, Rathjens ursprünglichen Text in seiner unverfälschten Form zu erleben. Lediglich einige später entdeckte Übertragungsfehler, wie Lese-, Tipp- und Auslassungsfehler, die Rathjen beim Abtippen der handschriftlichen Version unterlaufen sind, wurden korrigiert. Diese Ausgabe ist besonders für Spezialinteressierte von Bedeutung, die mehr über Rathjens Übersetzung erfahren möchten, insbesondere über die Herausforderungen und Kompromisse, mit denen er während des Übersetzungsprozesses konfrontiert war.

Die Veröffentlichung dieser ursprünglichen und nur vom Übersetzer selbst bearbeiteten Fassung ist ein bedeutender Beitrag zur Literatur, da sie Einblicke in das Schaffen eines Übersetzers gibt, der oft im Schatten der bearbeiteten Ausgaben steht. Rathjens Moby-Dick wird nicht nur als literarisches Werk betrachtet, sondern auch als Dokument der Übersetzungskunst, das die Komplexität und die Herausforderungen, die mit der Übertragung eines solch vielschichtigen Textes verbunden sind, verdeutlicht.

Die kritische Auseinandersetzung mit der Übersetzung und den verschiedenen Versionen von „Moby-Dick“ ist nicht nur für Literaturwissenschaftler von Interesse, sondern auch für alle, die sich mit der Entwicklung von Melvilles Werk im deutschsprachigen Raum beschäftigen. Die vorliegende Ausgabe stellt somit nicht nur die Grundlage für eine neue Diskussion über den Text selbst dar, sondern bietet auch einen tiefen Einblick in die Dynamik zwischen Original und Übersetzung.

Insgesamt bietet die Veröffentlichung von Friedhelm Rathjens ursprünglicher Übersetzung von „Moby-Dick“ eine wertvolle Gelegenheit, die Komplexität und die Schönheit von Melvilles Sprache und Themen in ihrer ursprünglich intendierten Form zu entdecken. Es ist eine Einladung an Leser und Literaturenthusiasten, sich mit einem der größten Werke der Literaturgeschichte auseinanderzusetzen und die unterschiedlichen Facetten des Textes zu erkunden.