DER KURAT UND DIE SCHAUSPIELERIN

 von Rafael Sabatini

Wenn ich erwähne, dass Andrew Barrington ein Heiliger war, ist es fast überflüssig, hinzuzufügen, dass er keinen Anspruch auf den leersten aller leeren Titel erhob: „Ein Mann von Welt“, denn es ist bereits eine etablierte und anerkannte Tatsache, dass Heiligkeit eine Eigenschaft ist, die im Allgemeinen nicht zu den vielen Errungenschaften solcher Menschen gezählt wird.

Um dem Bösen gründlich aus dem Weg zu gehen, muss man mit ihm vertraut sein, und wo ein hartgesottener Sünder dem Ansturm des Bösen mühelos standgehalten hätte, wurde Reverend Andrew Barrington trotz seines Panzers aus Frömmigkeit und Tugend, auf dessen Stärke er sich mehr als sicher verlassen hatte, besiegt und niedergeschlagen.

Als Andrews Vermieterin schüchtern erwähnte, dass eine junge Dame vom Theater für einen Monat in ihrem Haus wohnte, hätte sich ein Mann von Welt gesagt: „Die wollen wir uns mal ansehen.“ Er hätte die erste Gelegenheit genutzt, um die Dame seinem kritischen Auge zu unterwerfen, vielleicht mit der Bemerkung „nicht schlecht“, und dann wäre sein blasierter Geist zur Ruhe gekommen, und er hätte nicht mehr an sie gedacht.

Aber Andrews Vorgehensweise war leider eine weniger weise und trotz seiner Heiligkeit eine weniger vorbildliche.

Er wurde rot im Gesicht, als man ihm die Nachricht überbrachte, und grübelte zwei Tage lang – und den größten Teil zweier Nächte – über das Ereignis nach, was dazu führte, dass sich eine gewisse Blässe und ein schäbiges Aussehen auf seinem Gesicht einstellte, wie es böse Zungen – wenn es welche auf der Welt gab – auf Ausschweifung zurückführen konnten.

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