Die goldene Dose.

 von

Hedwig Courths-Mahler

 Die goldene Dose.

Antonius Vitus war von seiner Romreise nach Alexandrien zurückgekehrt. Ein Jahr fast war er auf Reisen gewesen. Nun freute er sich aber doch, sein altgewohntes Leben wieder aufzunehmen.

Sein Freund Claudius hatte ihm zu Ehren ein Fest veranstaltet. Die Gäste befanden sich in der herrlichen Halle des Hauses. Das Mahl war köstlich gewesen. Die Dienerinnen, thessalonische Sklavinnen, waren die schönsten von ganz Alexandrien, der Wein war feurig und von herrlichem Aroma, und die Unterhaltung war lebhaft und geistreich. Es fehlte also nichts am Wohlbehagen der Gäste.

»Was gibt es Neues in Alexandrien, Freunde? fragte Antonius Vitus lächelnd.

»Nichts Interessantes für dich, du Weltgereister. Denn Rom sehen, heißt die Welt sehen,« sagte Armidus, der Spötter.

»Doch, doch, Freund – du vergißt Julia!« rief ein bildschöner Jüngling schwärmerisch.

»Wer ist diese Julia? Was ist mit ihr?«

»O, du wirst sie kennen lernen, wenn dir die Götter hold gesinnt sind,« berichtete der schöne Jüngling eifrig. »Sie ist schön wie die Venus, reich wie Kleopatra und besitzt das schönste Haus in Alexandrien, seit sie vor wenigen Monaten hier ankam. Niemand weiß, woher, man weiß nur, daß sie Witwe ist und –«

»Ach, Freunde – wir wollen lieber von andern Dingen sprechen. Was machen deine kappadozischen Hengste, mein lieber Lulius?«

Dies sagte Claudius hastig, mit einem gewollt gleichgültigen Gesicht. Aber seine Augen flackerten unruhig.

Antonius Vitus sah den Freund forschend an. Er kam ihm verändert vor, elend und unstät. Gerade wollte er ihn nach dem Grunde fragen, da hob Armidus, der Spötter, hinter Claudius warnend den Finger und legte ihn auf den Mund.

Antonius Vitus beachtete dies Gebot des Schweigens.

Als die Gäste dann bald das Haus des Claudius verließen, gesellte sich Antonius Vitus zu Armidus.

»Ich möchte noch mit dir sprechen, Freund – komm mit in mein Haus.«

Armidus neigte bejahend das Haupt. Sie bestiegen ihre Sänften und, begleitet von Fackeln tragenden Sklaven, kamen sie in das Haus des Antonius.

Zuerst nahmen sie dort ein Bad, wobei sie von ausgesucht schönen Sklaven bedient wurden. Dann begaben sie sich in die Halle und legten sich auf bereitstehende Ruhebetten. Köstlich duftender Wein wurde ihnen in kostbaren Mischkrügen und Gefäßen kredenzt.

Auf einen Wink des Antonius waren sie dann allein.

»So, Freund, nun sind wir ungestört, und nun sage mir, was ist mit Claudius?«

Armidus, der Spötter, lächelte

»Zuerst laß dir sagen, daß du die schönsten Sklaven hast, die ich je gesehen.«

Antonius zuckte die Achseln.

»Ich kann keine häßlichen Menschen um mich dulden.«

»Beim Zeus, das ist kein Wunder. Wen die Götter so gebaut haben, wie dich, der muß auch in schöner Umgebung leben.«

Ein bewundernder Blick glitt bei diesen Worten aus Armidus‘ Augen über den schlanken, ebenmäßig gebauten Körper und das schöne, schwarzlockige Haupt des Freundes. Armidus war selbst nicht häßlich, aber klein von Gestalt und nicht zu vergleichen mit Antonius Vitus. Das galt nichts im Zirkus und bei den Spielen.

Aber bei den Frauen war der kleine, geistvoll spottende Armidus doch beliebt, und man sagte, er dürfe dem Ankleiden der schönsten beiwohnen, weil sie viel auf sein Urteil gäben.

»Wir wollten doch von Claudius sprechen?« mahnte Antonius.

»O, richtig – von Claudius – und Julia.«

»Bei der Göttin des Unheils – hängt Claudius‘ verändertes Wesen mit dieser Julia zusammen?«

»Ganz eng, Freund.«

»So erzähle.«

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